Full text: St. Ingberter Anzeiger

Eine Gratisication genügt mir nicht, ich 
berlange die Hälfte des Gewinnes.“ 
„Wenn aber der Gewinn auf Seiten Ihres 
Prinzipals ist ?* 
„Ohne Sorge, mein Auftrag lautet auf 
Verkauf, ich vin überzengt, die Preise steigen 
bis zum Olktober.“ 
„Wenn man's zu forciren versteht.“ ent— 
gegnete der Agent achselzuckend. „Ich räume 
Ihnen ein Viertel des Gewinnes ein.“ 
Bölling nahm seinen Hut. „Ich feilsche 
nicht,“ versetzte er gelassen. „Wollen Sie den 
Vertrag nicht eingehen, wende ich mich an 
einen Ihrer Herren Collegen. Ich dachte Sie 
am erflen geneigt zu finden, weil Sie ja der⸗ 
gleichen Geschäfte schon oft abgeschlossen haben.“ 
Die Augenbraunen Pieperlings zogen sich 
um einen halben Zoll in die Höhe. „Erklären 
Sie Sich deutlicher. Ich entsinne mich icht —“ 
„Sagen Sie lieber, Sie wollen sich nicht 
entsinnen. Wenn ich Ihnen erkläre, daß 
Helmes mich an Sie gewirsen hat, so werden 
Sie wissen, deß ich meiner Sache ziemlich 
sicher sein kann.“ 
„Freilich, freilich,““ erwiderte Pieperling 
indem er seinen Gast durch eine Handbewegung 
rinlud, wieder Platz zu nehmen.'„Es ist wahr, 
sch schloß mit Helmes früher einige Geschafte 
ab, nun, er muß wissen, ob er nicht besser 
hut, darüber zu schweigen. Et zog einen 
schönen Gewinn. Achtundvierzigtausend Thaler 
sechtzehn Groschen baar und blant hinge— 
zählt.“ — 
„Während Sie dieselbe Summe ein⸗ 
tasfitlen.“ 
Anterdings, doch kommen wir zur Sache.“ 
Ein ironijches Lächeln glitt über die Lippen 
Böllings. 
„Ich habe mich anders besonnen,“ ver⸗ 
setzte er. „Hätten Sie sofort zugegriffen, wäre 
das Geschäft bereits abgemacht. Ihr Zogern 
und Schibanken hat mein Bedenken erregt.“ 
Der Agent fuͤhr mit der Handfläche eini⸗ 
gemal über die Haare, welche die Glatze kaum 
zur Hälfte bedeckten und sah den jungen Mann 
mit inem Gemisch von Erstaunen und Ueber⸗ 
raschung an. „Sie wollen doch nicht zurück⸗ 
treten ?“ fragte er. 
Ohne diese Frage einer Antwert zu wür⸗ 
digen, ging Bölling, der gewaltsam an sich 
jalten mußte, hinaus. —Er wolltr im ersten 
Augenblick dem ehemaligen Buchhalter seines 
Z„chwiegervaters unverzüglich einen Besuch ab— 
tatten, ber fühlte, daß er dazu zu aufgeregt 
var uud er besser that, bis nach dem Mit— 
agstisch damit zu warten. Der Baron erwartete 
ihn bereits im Gasthofe. Er nahm keinen 
Anstand, diesem zu erzählen, welche Entdeckung 
er gemacht hatte und welche Schritte er jetzt 
zu thun gedenke. 
Der Baron zuckte die Achseln. „Ich möchte 
ehr bezweifeln, daß es Ihnen gelingen wird, 
ruuch nur einen Heller von der erschwindelten 
Summe zurück zu erhalten, sei es nun durch 
hüte oder Gewalt,“ sagte er lakonisch. „Leiten 
Sie eine gerichtliche Klage ein, so kostet 
Ihnen der Prozeß eine enormne Summe und 
chließlich werden Sie mit Ihrer Klage abge— 
viesen. Deshalb rathe ich Ihnen, lassen Sie 
die Sache ruhen, ändern werden Sie doch 
nichts daran.“ 
Der Gutsbesitzer war anderer Meinung. 
Bleich nachdem die Tafel aufgehoben war, 
berfügte er sich in das Geschäftslokal des 
Bankhauses. Helmes faß im Kabinet. Seine 
Züge verrieihen weder Ueberraschung noch 
Verlegenheit als Bölling eintrat. Er bot mit 
inem freundlichen Lächeln dem jungen Mann 
einen Stuhl an und fragte, womit er dienen 
önne. 
Ohne Umschweife kam Bölling sofort auf 
den Kardinalpunkt, die Lieferungsgeschichte 
zwischen dem Commerzienrath und Pieperling. 
Er erklärte, die Verhältnisse genau zu kennen 
ind spruch die Hoffnung aus, Helmes werde 
ich bereit finden lassen, die Firma an ihren 
rüheren Eigenthümer zurückzugeben und jene 
rschwindelte Summe herauszuzahlen: nur 
inter dieser Bedinzung könne er von einer 
gerichtlichen Klage abstehen. 
Ein höhnisches Lächeln glitt über die 
Züge des ehemaligen Buchhalters. 
Ihre Rechtsbegriffe müssen sehr verwirrt 
ein,“ erwiderte er gelassen. „Von Betrug 
»der Schwindel kann hier nicht im Entfern⸗ 
esten die Rede jein. Gesetzt, jene Lieferungs⸗ 
zeschäfte wären zu Gunsten des Commerzienrath 
ausgefallen, würde man mir alsdann den 
Schaden vergütet haben, den ich zur Hälfte 
fragen mußte ?“