dem Gange stand. Der matte Schein der
kleinen Kugellampe fiel voll auf das Antlitz
des Mädchens, welches von seiner Arbeit nur
selten aufsah, um einen flüchtigen Blick aus
den hellgelben Kanarienvogel zu werfen, der
sich bereits zur Ruhe begeben hatte. —
Sie mochte etwa einundzwanzig Jahre
zählen, die feinen, ebenmäßigen Züge waren
gerade nicht schön zu nennen, aber es spiegelte
fich in dem Blick der dunkeln Augen eine
wunderbare Seelentiefe, eine Sanftmuth und
Herzensgüte, welche auch einem weniger schönen
Antlitz Reiz verliehen haben würden. Dazu
umfloß die blendend weiße, hohe Stirn das
glänzend schwarze Haar in üppigen Wellen,
auf den vollen Wangen blühten die Rosen der
Unschuld, und die feinen Lippen umspielte ein
heitetes, bezauberndes Lächeln. Jeder Zug'in die ⸗
sem Antlitz verrieth eine heitere zufriedene Seele.
dDie Uhr der nahen Wache hatte eben
neun geschlagen, das Mädchen erhob sich, wars
durch das Fenster einen Blick hinauf zu dem
klaren tiefblauen Himmel und räumte das
kleine Tischchen, auf welchem noch der Stick⸗
xahmen lag, ab.
Ploͤtzlich fuhr sie erschrett zusammen, ein
leises dreimaliges Pochen ließ sich vernehmen. —
Wer konnte ju so später Stunde sie noch
besuchen ? War es der, an welchen sie vorhin
dachte, als sie zu den Sternen hinaufschaute?
Er hatte sie noch nie so spät besucht, und doch
wenn er es wirklich wͤreẽ?
Sie eilte zur Thür, öffnete und trat über⸗
rascht zuxück, ein fremder Herr stand vor ihr.
HeErschrecken Sie nicht, liebes Kind,“ nahm
dieser eintretend das Wort, „ich bin der
Baron hon Westen und suche ein Fräulein
Barbara Winter. Ich habe wohl die Ehre,
diese Dame vor mir zu sehen ??:
Die höfliche gesuchte Redensart war kei⸗
neswegs geeignet, das Mädchen zu beruhigen.
Was konnte ihr der Fremde mitzutheilen
haben ? Weshalb wählte er zu seinem Besuch
eine so späte Stunde.
Sie yerzeihen, wenn ich frage, ob Ihr
Anliegen an mich nicht bis wmorgen warten
kannẽ entgegnetn sie. „Mein guter Ruf —
O, befürchten Sie nicht, daß er darunter
leiden könne,“ fiel der Varon' ihr rasch ins
Wort. „Niemand sah mich ins Haus treten.
Zu dem muß ich morgen wieder abreisen.“
Barbara zögerte noch immer. „Ist Ihr
Anliegen wirklich so dringend und wichtig, so
werde ich Sie wohl anhören müssen,“ entgeg⸗
nete sie endlich Fassen Sie sich kurz, wenn
ich bitten darffg“.
„So kurz wie möglich,“ versetzte der
Baron, indem er sich auf einen Stuhl setzte
und das Mädchen durch einen Wink bat,
ebenfalls Platz zu nehmen. „Sie kennen eine
Witiwe Kraus?“ fuhr er fort, „wie geht es ihr?
Gedenken Sie ernsthaft ihres jüngsten Sohnes?“
„Mein Herr, wie kommen Sie zu dieser
Frage?“ erwiderte Barbara befremdet.
„Ja so, ich falle mit der Thüre ins
Haus,“ sagte der Baron ruhig. Ich lernte
in Amerika einen jungen Mann, Georg Kraus,
kennen. Er führt dart ein Nomadenleben, jagt
Büffel und treibt Handel, je nachdem die
Gelegenheit zu dem Einen oder Andern sich
ihm bietet. Er war ein aufgeweckter, beherzter
Mann, vir schlossen uns an einander an und
er vertraute mir eines Tages, daß er hier
aus dem Gefängnisse entsprungen sei und des—
halb nicht nach Europa zurückkehren dürfe.
Ihm liege auch nichis an der Heimath, er
habe dort nur unangenehme, bittere Erfahrun⸗
gen gemacht, an die er nicht gerne erinnert
sein wolle, nur seiner armen Mutter wegen
möge er noch einmal zurückkehren. Ich rieth
ihm, die Mutter zu bewegen, autzuwandern,
aber er meinte, die Frau sei alt und werde
die Beschwerden der Reise nicht ertragen
können. Vielleicht auch sei jetzt ihre ganze
Liebe auf den Bruder übergegangen, der ja
kein entehrendes Verbrechen begangen habe.“
(Fortsetzung folgt.) *
2nannigfaltiges.
Pest h, 20 April. Die Stadt Berdze in
Slavonien ist heute gänzlich niedergebrannt
und dadurch sind 4000 Menschen mit einem
Schlage obdachlos geworden.
Auflösung des Räthsels in Nr. 55 des Unterhal⸗
tungsblattes: „Mai n.“
Druck un, Verlag von F. X. Deraetz in St. Ingbert.