Full text: St. Ingberter Anzeiger

zeworfen habe! — — Mich ruft beleidigte 
Ehre zum Kampf auf Leben und Tod. Er—⸗ 
jalten Sie diese Zeilen, so hat mein Herz 
im Tode Ruhe gefunden, oder ich bin auf 
der Flucht und nie wird mein Auge Sie 
wiedersehen. Ich gehe dem düstern Verhäng⸗ 
niß mit ruhigem, fast freudigem Herzen ent⸗ 
gjegen, was soll ich auch noch in der Welt, 
nachdem ich den Frieden der Seele verloren 
habe! — Nur eine heilige Pflicht bleibt mir 
noch zu erfüllen, und Sie habe ich zur 
Bermittlerin ausersehen. Eilen Sie, wenn 
ich zu der verabredeten Zusammenkunft morgen 
Abend nicht erscheine, in den Gasthof zur 
Stadt Paris, zeigen Sie dem Wirth den 
Schein, welcher diesen Zeilen beiliegt und 
nehmen Sie mein Portefeuille, welches Sie 
in meiner Reisetasche finden werden; es ent⸗ 
hält die Summe, welche Georg mir für seine 
Mutter übergab. Leben Sie wohl und ver« 
sagen Sie ein stilles Andenken nicht dem 
unglüdlichen Baron von Westen.“ 
Barbara ließ bestürzt die Hände in den 
Schooß finken. Welches Verhängniß hatte diesen 
Mann so plötzlich gerade in diesem Augenblick 
ereilt, in welchem sie ihn kennen lernte, in 
welchem sie durch eine ihr unerklärliche Sym⸗ 
pathie zu ihm sich hingezogen fühlte? — 
Sie erschrack jetzt nicht mehr vor der Liebes⸗ 
gluth, welche in jedem Worte dieses Briefes 
vderte, die Liebe des Todien durfte sie ja 
erwidern, ohne deßhalb dem Lebenden untren 
werden zu müssen. 
Es ist ein wunderbares Walten der Ra⸗ 
wur, daß oft ein kurzer Augenblick genügt, 
zwei Herzen, die vor dem sich fern standen, 
jür ewig mit einander zu verbinden! 
Barbara las den Beief noch einmal, und 
oerstohlen drängten die Thränen sich in ihre 
Augen. Wie glücklich' hätte sie an der Seite 
dieses Mannes werden können, der so plötzlich 
zor sie hintrat, um ihre Liebe warb und in 
dem nächsten Augenblick schon wieder für immer 
Abschied nahm! 
Und jetz? — „Die Blume gedeiht nicht 
im felsigen Boden.“ Barbara erhob sich, sie 
mußte Gewißheit haben, wie das Duell aus⸗ 
zefallen war. Sie eilte in den Gasthof und 
bernahm durch den Hausknecht, daß der Baron 
oon Westen bei Sonneuaufgang das Haus 
erlassen habe und bis jetzt noch nicht zurück⸗ 
zekehrt sei. 
So war denn jeder Zweifel gehoben, das 
eingetroffen, was der Varon befürchtet hatte! 
Die letzte Hoffnung des Mädchens klam⸗ 
nerte sich an die Möglichkeit, daß der Baron 
den Gegner getödtet habe und geflüchtet sei; 
dielleicht kam er dann nach Jahren noch ein⸗ 
nal zurück, vielleicht sah Barbara ihn dann 
soch noch wieder. Nichts ist geeigneter, im 
Herzen des Weibes die Liebesgluth anzufachen, 
als der Gedanke, den Geliebten in Unglück 
and Elend zu wissen. 
Barbara verbrachte einen qualvollen Tag. 
ie konnnte noch immer nicht glauben, daß 
das Duell einen so unglücklichen Ausgang 
zenommen habe, sie wollte abwarten bis zum 
nächsten Morgen, vielleicht erfuhr sie bis da⸗ 
hin etwas Näheres. Deshals verschwieg sie 
rnuch der Mutter Georgs den Empfang des 
Briefes, sie wollte die Hoffnungen der alten 
Frau, welche sich auf den Baron stützten. 
richt eher vernichten, bis sie selbst die unum⸗ 
tößliche Gewißheit besaß, daß jener nie wieder 
lehrte. 
Hugo fand sich am Abend ein. Er war 
heiter, in seinen Zügen stand's geschrieben, 
daß er eine fröhliche Botschaft brachte. J 
„Was würdest Du da zu sagen, wenn ich 
nach Amerika ginge?“ fragte er seine Braut, 
nachdem er sich neben diese in den Sessel 
zesetzt hatte. „Versteht sich, nicht für immer, 
nur für eine bestimmte Zeit, für ein halbes 
Jahr etwa,“ setzte er hinzu, als er das Er⸗ 
taunen des Mädchens bemerkt hatete. 
„Bevor ich auf die Frage antworten kann, 
erlläre Dich deutlicher,“ war die Antwort, in 
welcher die Verlobte über den Gedanken an 
rine Trennung hinweg ging. 
„So höre denn; der Baron von Westen 
hat mich heute in Dienst genommen.“ 
„Wann?“ fiel Barbara heftig ihm in's 
Wort. — 
Die Reihe des Erstaunens traf jetzt den 
Förster. Die Ungeduld, die gespannte Erwar⸗ 
ung, welche sich deutlich in den Blicken seiner 
Braut spiegelten, ihr Erbleichen und der selt⸗ 
am bewegte Ton ihrer Stimme mußten ihm 
ruffallen.