Full text: St. Ingberter Anzeiger

zebrochen war, ihr in's Wort. „Ich hatte 
den Knecht beauftragt, den Brief abzugeben, 
venn ich bis 12 Uhr nicht zurück sei, er kam 
diesem Auftrag pünktlich nach, während ich 
im Hause meines versöhnten Gegners zurückge⸗ 
halten wurde. Ich will den Inhalt jener 
Zeilen nicht wiederholen, Barbara, nur sagen 
vill ich Ihneu, daß ich meine Liebe als mein 
heiligstes Geheimniß in mein Herz verschlossen 
zalten würde, wenn nicht jenes Duell mich 
n die Nothwendigkeit versetzt hatte, an Sie 
zu schreiben. Den Lippen konnte ich gebieten. 
das Geheimnik zu bewahren, nicht der 
Feder.“ 
„Und Sie bedachten nicht, daß Sie den 
Frieden derjenigen, welche Sie liebten, durch 
senes Geständniß zerstörten ?? versetzte Bar—⸗ 
bara vorwurfsvoll. „Ich bin die Braut eines 
Andern, meine Liebe, mein Hera gehört 
jenem ?* 
„Nichts, nichts gehört ihm!“ erwiderte 
der junge Mann stürmisch. „Sie lieben ihn 
nicht, noch sind Sie nicht an ihn gebunden! 
Wollen Sie ein ganzes Leben verscherzen, 
allem Glück, aller Freude entsagen, nur um 
cin Versprechen zu halten, welches Sie vielleicht 
nicht einmal freiwillig gaben ? Barbara, stoßen 
Sie nicht das Herz zurück, welches Sie glü⸗— 
hend liebt, welches Sie glücklich machen wird!“ 
Barbata zog ihre Hand, welche der Baron 
ergriffen hatte, zurück. Wie gerne hätte sie 
das Wort gesprochen, welches auf ihren Lip⸗ 
pen schwebte! Sie drängte es zurück, noch 
jampfte in ihrem Herzen die Liebe mit der 
Furcht vor dem Meineide. 
Sie sind reich und von Adel,“ sagte sie 
nach einer Weile, „unter welchem Namen soll 
eine arme Stickerin Ihnen folgen? Die 
Herren ·Ihres Standes geben den Töchtern 
Jus der niedern Volksklasse den Namen , Freun⸗ 
din,“ und dem kurzen Augenblick des Glanzes 
folgt eine lange traurige Nacht? von Reue und 
Schande.“ 
Der Baron sah dem Mädchen feierlich 
ins Auge. „Bei der Liebe, welche mein Herz 
erfüllt und beglückt, schwöre ich Dir, daß Du 
neine Gattin vwirst,“ sagte er, „„der Fluch des 
ewigen Richters dort oben über den Sternen 
aöge mich vernichten, wenn ich diesen Schwur 
reche!“ 
Barbara glaubte an die Aufrichtigkeit 
zieser Worte, sie hätte ohne Bedenken fich 
in die Brust dieses Mannes geworfen, wäre 
nichi der Gedanke an Hugo und den Schwur, 
er sie an jenen kettete, vor ihre Seele ge⸗ 
reten. 
Sei mein,“ fuhr der Baron fort, „sage 
nir, daß Du mir folgen willst und wir ver⸗ 
assen diese Stadt morgen schon.“ 
„Ich kann nicht,“ erwiderte das Mädchen 
leise, ihm habe ich mein Wort gegeben, ich 
nuß es halten.“ 
(Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
(GDie Walduhr.) Ein Jäger, wenn 
er auch noch so früh in den Wald zieht, hat 
zicht nöthig, eine Uhr mit sich zu nehmen, 
orausgesetzt, daß er die Stimmen seiner be⸗ 
jederten Freunde genau kennt. Nach der Nach⸗ 
igall, welche fast die ganze Nacht hindurch 
ingt, gibt der Fink das erste Signal, und 
war vor Tagesanbruch, 19/3 bis 2 Uhr; der 
Hhesang der schwarzköpfigen Grasmücke folgt 
zann von 2 bis 214 Uhr, dann singt bis 
J Uhr die Wachtel, von 83 bis 314 Uhr läßt 
„ie rothbauchige Grasmücke ihren melodischen 
Trisler hören, von 312 bis 4 Uhr singt die 
5„chwarzamsel, von 414 bis 5 Uhr die Meise 
on 5 bis 5313 Uhr zirpt der Sperling, der 
hariser Gamin, wie man ihn sehr treffend 
ezeichnet. Die oben genannte Schwarzamsel, 
velche sehr leicht jede Melodie nachsingen 
ernt, wird in der Loire⸗Gegend der Spott⸗ 
vogel genannt; ein Franzose brachte es dahin, 
aß alle Amseln eines Canton die Marseillaife 
angen, nachdem er einer, die in der Gefan— 
jangenschaft diese Melodie erlernt hatte. die 
Freiheit gab. (7) 
Lebensphilosophie. * 
Der Werth der Menschen ist nicht nach den 
Fehlern zu schätzen, von denen sie frei sind, 
sondern nach der Größe der Tugenden, die sie 
besitzen. 
Druck und Veclag von F. X. Demetz in St. Ingbert.