Helene äußerte den Wunsch, mit jenem
einige Worte unter vier Augen zu reden,
Steffens rieth davon ab. Er sei überzeugt,
jener Mensch werde reden, wie man's gern
höre, den Judaslohn einstecken und später
seinem Herrn Allez berichten, dann sei man
us dem Regen unter die Traufe gekommen.
Wenn die guädige Frau glaube, daß der
Kammerdiener die Vergangenheit seines Herrn
lenne, so wolle er ihm schon die Zunge lösen,
er begreife nicht, daß ihm dies nicht schon
früher eingefallen sei.
Helene gab ihre Zustimmung, der Ver⸗
walter erklärte sich zur Vermittlung bereit,
und der Diener des Barons ging ohne Zö⸗
gern auf den Vorschlag der beiden, eine
Flasche mit ihnen zu leeren, ein. Der Plan
gelang, aber der Zwed ward nicht erreicht.
Der feurige Wein loͤste bald die Zunge des
Dieners, aber so oft die Rede auf den Ba⸗
ron kam, brach er ab. Er sei erst kurz vor
der Abreise des Barons nach Eurapa in Dienst
zetreten, sagte er endlich; daß sein Herr ein
normes Vermögen besitze, —X
Zweifel, ebensowenig, daß er sich hier anzu⸗
taufen gedenke.
Am nächsten Morgen berichtete Steffens
niedergeschlagen das Resultat des Zechgelages,
Helene tröstete fich mit dem Gedanken an die
in wenigen Stunden bevorstehende Rückkehr
ihres Gatten.
Aber Bölling, als er in Begleitung des
Barous und seines Schwiegervaters auf dem
Gute eintraf, war verstimmt, er schloß die
Gattin flüchtig in seine Arme, drückte kalt
einen Kuß auf ihre Stirne und ging dann,
ohne sich weiter um seine Familie zu kümmern,
zum Verwalter, mit welchem er sich fast eine
ganze Stunde unterhielt. Der Baton dagegen
war wie immer Rebenswürdig und witzig,
heiter bis zur Ausgelassenheit. Hätte er sich
nicht der Unterhaltung während dem Abend⸗
essen bemächtigt, der Commerzienrath würde
einen traurigen Begriff von der gluͤcklichen
Ehe seines Kindes erhalten haben.
Wie gern auch Helene schon jetzt den
Gatten um nähere Aufkflärung gebeten hätte,
mußte sie sich doch gedulden, bis ihr Vater
und der Baron das Familienzimmer verließen,
um sich zur Ruhe zu begeben. Jeßtt aber
hielt sie die Frage, welche schon so lange auf
ihren Lippen schwebte, und ihre Bestürzung
war nicht gering, als Bölling in barschem
Tone erwiderte, er habe leine Lust, näher auf
den Einn jener Worte einzugehen. Eine solche
Antwort konnte nur den Befürchtungen He⸗
cnens neue Nahrung geben, sie hatte den
Gatten noch nie in einer solchen Gemüths
stimmung gefehen, und es schmerzte sie tief,
daß er ihr nicht das Vertrauen schenlte, wel⸗
welches sie fordern zu dürfen glaubte. Aber
so sehr sie darum bitten mochte, erreichte sie
hren Zweck doch nicht, Bölling beharrte bei
iner verdrossenen Einsilbigkeit; er sah die
während seiner Abwesenheit eingelaufenen
Briefe und Rechnungen durch und verließ
dann mit einem kalten „gute Nacht“ das
Zimmer.
Der Baron halte eben durch seinen Diener
sich Bericht erstatten lassen, als der Gutsbe⸗
itzer eintrat. Er schien jenen erwartet zu
haͤben, denn er winkte sofort seinem Diener.
hinauszugehen und schloß hinter diesem die
Thüre ab.
ESie haben diese Unterredung gewünscht“,
nahm er das Wort, „ich bin bereit, Sie
anzuhören.“
Boͤlling ging einige Minuten schweigend
auf und ab, während der Baron, in seinen
Sessel zurückgelehnt, träumerisch den Rauch⸗
wöllchen seiner Cigarre nachschaute. „Ich
schulde Ihnen jetzt dreißigtausend Thaler,“
zoͤb Bölling an, indem er vor dem Baron
tehen blieb. „Fünftausend haben Sie mir
zeliehen, Fünfundzwanzigtausend verlor ich im
Spiele an Sie. Wann wünschen Sie „diese
Summe zu erhalten ?“
Hats damit so große Eile 7 erwiderte
der Baron gelassen. „Bei Gott, wenn dies
das Thema Ihrer vertraulichen Unterredung
ist, so bedaure ich, wegen einer solchen Ba⸗
gatelle meinem Körber die Stunde Schlas
entzogen zu haben. Sie wissen doch, daß der
Schlaf vor Mitternacht —“
Das nennen Sie eine Bagotelle ?“ fiel
Bolling erbittert ihm in die Rede. Erxlau⸗
ben Sie mein Hert, für Sie mag diese Summe
eine Bagatelle sein, für mich ist fie ein
Gegenstand, der ein Sechstel meines Vermö⸗
gens repräsenlirt.“