Full text: St. Ingberter Anzeiger

er begann ein neues Leben, brach mit der 
Vergangenheit und sah eine Zukunft vor sich, 
in der er, vermöge seines Talenis und seiner 
senntnifse, sein Glück finden konnte. * 
Der Brief, welchen Hugo unterschlug, be⸗ 
ftätigte diese Vermuthung. Aber der Haß er⸗ 
reichte sene Spitze durch die Mittheilungen 
des Amerikaners. Hätte der Zufall ihm nicht 
diesen zugeführt, wäre er das Opfer eines 
Schurkenstreiches geworden. So glaubte er, 
und während er den Zufall segnete, fluchte er 
dem Bruder. — — 
Als er in seiner Heimath ankam, schlug 
er ohne Zögern den Weg nach dem Gasthofe 
ein, in welchem der Baron von Westen logirt 
hatte. Der Baron war abgereist, wohin wußte 
der Kellner nicht. 
Es war schon spät, die Sonne bereits 
untergegangen; der Förster verzichtete für heute 
auf weitere Nachforschungen. Er bezeichnete dem 
Amerikaner eine Herberge, ersuchte ihn, dort 
auf seine Rücktehr zu warten und ging dann 
zur Kaserne. Barbara hatte mit so großer 
Zuversicht behauptet, ein Brief Georgs sei 
unterschlagen wor den, daß Hugo fas nicht 
mehr daran zweifeln konnte, der Baron von 
Westen habe darüber mit dem Mädchen ge— 
sprochen. Ebensowenig bezweifelte er, daß es 
ihm gelingen werde, dies und vielleicht noch 
Räheres über den Baron durch seine Braut 
zu erfahren, er kannte ja die Gewalt, welche 
er über das furchtsame, leicht eingeschüchterte 
Mädchen besaß. 
Es befremdete ihn, als er die Thür des 
Zimmers, welches Barbara bewohnte, ver⸗ 
schlossen fand. Er klopfte einige Mal leise an, 
ohne Erfolg. Ohne daß er's wollte und be⸗ 
merkte, ward sein Pochen stärker, so daß end⸗ 
lich der Bewohner des Nebenzimmers, ein 
alter invalider Husarenwachtmeister, auf den 
Gang trat, um die Ursache dieses anhattenden 
ungeduldigen Pochens zu ermiiteln. 
Als dieser den Förster erblickte, glitt ein 
höhnisches Lächeln über seine Züge. „Ei, ei, 
schon zurüch aus Amerika!“ hob er an, „So 
rasch hat wohl noch keiner die Reise gemacht. 
Die schöne Braut ist inzwischen fluͤgge ge⸗ 
worden, man sagt, sie sei Ihnen nachgeieist, 
aber ich glaube es nicht, ich habe auch meine 
Augen im Kopfe und verlasse mich lieber aue 
die, als auf leeres Gerede.“ 
„Barbara ist ausgezogen?“ fragte der 
Förster, der, weit entfernt, eine Untreue se iner 
Braut zu ahnen, die Worte des alten Mannes 
iür boshafte, unbegründete Vermuthungen 
jielt. 
Ausgezogen, jawohl!“ erwiderte der In⸗ 
alide spottend. Wohin sie aber gezogen, 
verden Sie eben so wenig erfahren, ale ich 
oder einer hier im Hause es weiß. Am Tage 
nach Ihrer Abreise zog sie Abends mit Sack 
ind Pack ab. Das Bett, die Wäsche und die 
MNöbel wurden schon am Mittag auf einen 
Zarren geladen und davon gefahren. Die 
etzten Habseligkeiten, der Messingkäfig mit dem 
danarienvogel und die Hutschachtel, trug 
das Mädchen in der Hand, als sie das Haus 
oerließ.“ 
„Mensch, Du lügst!“ rief der Förster 
vild auffahrend, „kannst Du für die Wahrheit 
Deiner Behauptungen Beweise geben ?“ 
„Vollgiltige,“ erwiderte der Invalide er— 
schreckt. „Fast jeder Einwohner dieses Hauses 
wird Ihuen dasselbe sagen.“ 
„So sei Gott ihr und ihm gnädig,“ 
nurmelte der Förster dumpf. „Wer war bei 
neiner Braut? Wem ist sie gefolgt, wohin 
jat sie sich gewandt?“ 
„Ihr thut da drei Fragen, von denen ich 
seine einzige zu beantworten weiß. Ein junger 
Mann war an drei Abenden nach einander 
hei ihr, am ersten Abend kam er gegen neun 
und blieb bis halb elf, am zweilen Abend 
and er sich ein, gleich nachdem Ihr hinaus- 
gegangen wart, er ging mit Eurer Mutter 
'ort, kam aber eine Viertelstunde später zurück, 
um noch eine ganze Stunde bei Eurer Braut 
zuzubringen. Am dritten Abend sah ich ihn 
irüh eintreten aber erst gegen elf Uhr das 
Haus verlassen.“ 
„Wie war er gekleidet? Beschreibt mir 
seine Figur, seinen Gang, seine Haitung.“ 
„Nach seiner Kleidung zu urtheilen, muß 
er ein feiner Herr sein, er war ziemlich groß, 
trug einen vollen blonden Bart und blondes, 
lockiges Haar.“ 
Der Förster biß sich auf die Lippe, daß 
sie blutete. „Ich kenne ihn,“ sagle er mil 
dumpfer, heiserer Stiumme. Er wandte dem