Anterhaltungsblaft
St. Ingberter Anzeiger.
Vr. 68. Sonntag, den A. Inn
— t —
— — 8V—
A
**
Zie Brüder.
Driginal-Novelle von Ewald August König.
kornien, um dort mein Glück zu versuchen.
Fs war mir hold. Ich erwarb mir soviel,
daß ich den an Ihrem Eigenthum fehlenden
Rest ersetzen konnte und daneben noch eine
leine Summe eerübrigte. — Hier, Herr
Fommerzienrath, ist Ihr Geld, und nun ziehen
Sie die Schelle und lassen Sie die Polizei
tufen.“ —
Er warf ein Packet Banknoten auf den
Tisch und lehnte sich in seinen Sessel
zurück. —
Die Ueberraschung des Bankiers erreichte
hren Höhepunkt. Mechanisch griff er nach
dem Päckchen, mechanisch zählte er die Scheine,
ex bedurfte Zeit, um sich zu fassen. Vor einer
Minute noch war er fest entschlossen, den
Dieb der Polizei zu überliefern, die Ehrlich—
eit des Diebes hatte seinen Zorn entwaffnet.
And wenn er aufrichtig sein sollte, stand er
diesen Manne rein gegeuüber? Durfte er
hm frei und offen ins Auge sehen? — Er
ämpfte jetzt nicht mehr mit dem Entschlusse,
b er den jangen Mann ins Gefängniß zu⸗
zuckliefern solle, er würde die Achtung vor
ich selbst verloren haben, wenn er diesen
Bubenstreich begangen hätte.
„Fliehen Sie, verlassen Sie die Stadt.
zhe es zu spät ist.“
„Ich werde bleiben,“ entgegnete Georg
ruhig. „Glauben Sie, der Assessor, oder Ihr
rüherer Buchhalter habe mich nicht erkannt?
Seien Sie überzeugt, daß die Polizei bereits
unterrichtet ist. Wenn Sie glauben, Ihr
Unrecht gut machen zu müssen, so geben Sie
mir die Ehre zurück, deren Verlust ich in der
Hauptsache Ihnen zu verdanken habe. Schreiben
(Fortsetzung.)
„Als ich dem Gefängnisse entsprungen
war, sagte Georg, mußte ich mir das Reise⸗
geld zur Ueberfahrt nach Amerikg zu ver⸗
schaffen suchen. Ich besaß jene Schlüssel zu
Ihrer Kassa noch, welche ich selbst damals
berlsren zu haben glaubte. Ich brach ein,
in der Absicht, mir soviel aus Ihrer Kassa
zu nehmen, als ich zur Reise bedafrte. Der
Zufall wollte, daß an jenem Abend bedeutende
Summen in Ihrer Kassa lagen; ich wußte
es nicht, ich entdeckte es erst, als ich den Raub
in Sicherheit gebracht hatte.“
„Also Sie waren den Dieb?“ rief der
Commerzienrath überrascht. — „Sie? Auf
Ihrem Gewissen ruht eine großke Verantwort—
lichkeit, ein Unschuldiger wurde verurtheilt.“
„Mag er an diesem Verbrechen unschuldig
sein, er hat Strafe verdient,“ entgegnete Georg
tuhig. „Als es galt, die Ehre eines Menschen
zu vernichten, bot er bereitwillig seine Hand
dazu, er mag jetzt einmal kosten, wie sehr der
Berlust der Ehre und Freiheit schmerzt.“
Der Commezienrath hielt den Blick un—
perwandt auf den jungen Mann gerichtet, es
war der Blick eines Tiegers, der sein Opfer
beobachtet.
„Ich sagte Ihnen bereits, daß ich Sie
dieser Summe nicht berauben wollte,“ fuhr
Georg nach einer Pause fort. „Als ich in
Amerika ankam, deponirte ich den größten
Theil bei einem Bankier und ging nach Cali—