so wunderbar schön in Form und Färbung
und ach! so leer an Ausdruck, an der Seele
Krone und Glorie, geistigem Bewußtsein, hef⸗
seten sich voll auf die freundliche Erscheinung.
„Mutter Nau, Mutter Nan!“
Sie streckte ihm, wie einem Kinde, die
Hand entgegen, er sprang auf, erfaßte sie und
preßte sie summend und schnurrend, wie ein
dergnügtes Kahzchen, an die Brust.
„Mutter Nan ist gut — gut mit Mitti⸗
kens Sie gibt ihm Kuchen und Milch. Mitti⸗
tens will jetzt Kuchen haben.“
Die Veränderung, welche das kindische
Geplauder in den klafsisch schönen Zügen her—
vorrief, war schmerzlich anzusehen. Odbgleich
daran gewöhnt, sah Madame Me. Neal es nie
ohne Bewegung.
.Komm, Mittkens, Du sollst Kuchen
haben,“ seufzte sie. n I
„Ja, Miittikens soll Kuchen haben,“ wie⸗
derhoͤlle er vergnügt und hüpfte ihr nach in
das hübsche Stübchen, das durch eine Glas⸗
rhüre mit dem Laden verbunden war.
Des Zimmers Einrichtung war einfach
und zierlich und verrieth auf den ersten Blick,
daß man keine Kosten scheute, um das Lehen
des unglücklichen Jüuglings zu schmüden. Dem
Sopha gegenüber, befand sich eine Zimmer⸗
or gel, ;zu der er zuerst eilte und laut über die
eigenthümlichen Töne jubelte. welche er ihr
entlockie. In der Ecke stand ein Wiegenpferd,
das sichtlich für ihm gefertigt worden, weil
dessen Dimensionen für jeden Knaben zu groß
gewesen wären. Unter einem Tische stand ein
Korb mit bunten Gummibällen aller Größen.
NMtadame Me. Neal servirte Milch und Kuchen
—
forgfältig auf den kleinen Ovaltisch und gab
ihm den schweren Löffel, auf dessen Stiel ein
Wappen prangte, in die Hand.
Nun, die Dinge sind den Verhältnissen
wenigstens so viel als möglich angepaßt,“
flüsterte sie, „Geist und Seele sind nicht,
gleich dem Körper, aus adeligem Blute ent⸗
sprossen, sie kann nur der Herr geben, was
aber nutzt des Korpers Schöuheit, wenn dessen
Krone fehlt ?“
Minikens aß sein Frühstück und achtete
forgsam darauf, mit keinem Tröpfchen die
schönen Kleider zu verderben. Nachdem er fertig
war, brachte ihn Madame Me. Real tinen
silbernen Becher mit Wasser, den er sofort be⸗
zierig erfaßte. Es war zweifellos das Ueber⸗
bleibfel eines kostbaren Services und zeigte in
erhabener Arbeit das gleiche Wappen, das sich
auf dem Löffel befand.
Mittikens betrachtete die lunstvolle Schale
mit sichtlicher Freude. e*
Hübich, hübsch,“ lachte er, „Mutter, Nau
sagt, es sei hübsch.“—
„Armer Junge,“ murmelte die Matrone,
„Du kümmerst Dich wohl wenig genug um
den alten Familienglanz. Du woißt nicht,
wie man Dir mitspielte und doch, was liegt
daran, ist doch Alles hienieden nur Eitelkeit.“
Mitukens stellte den Becher auf den Tisch,
uchte unter seinen Spielsachen einen bunten
Kreisel und sprang mit dem Jubel eines fünf
jährigen Kindes hinaus, sein Windmühlchen
janzen zu lassen.
Madame Me. Neal blickte ihm erst nach
und setzte sich dann gedankenvoll in ihren
Lehnfessel. „Möcht' wissen, was mich so schwer
drüdi,“ sprach sie nach kurzer Pause, 's ist
boch nichis anders geworden, als es seit zwanzig
Jahren war, warum ist mir's deun zu Muthe,
als ob irgendwo ein großes Unglück geschehe ?
Ich kann ja gewiß nichts dafür. Warum ent⸗
setzt mich denn auf einmal der Gedanke. daß
ich das einzig lebende Wesen in- der weiten,
——
Sie ist in ihrem kostbaren Sarge längst zu
uische zerfallen, die alte Amme Morna ist schon
fünfzig Jahre todt, Mylord Ichläft ebenfalls
den langen Schlaf, und so bleiben nur Mit⸗
tikens und ich übrig und er, der nichts davon
ahut, daß ein altes Weib da draußen unter
—D—
hält. Man sagt schlimme Dinge von ihm, aber
was kümmerts mich, mein Geheimniß ists ja
nicht. Und doch quält mich der häßliche Traum
und schwebt mir wie in einem Rahmen vor.
Ein hohes, schlankes in einen braunen Mantel
gehülltes Weib kam die Straße von Brecou
entlang, blieb am Kreuzwege stehen, blichte um
sich, legte sinnend die Hand an die Stirne
und pochte dann an meine Thüre, Sie pochte
zwei, dreimal und trat endlich ein . In diesem
Zimmer fand sie Mittikens mit thränennassen
Augen auf dem Boden schlafend, und mich