Anlerhaltungsblalt
zum
St. Ingberter Anzeiger.“
Nr. 71. Sounntag, den 18. Juni
1871
Die Brüder.
Original⸗Nobvelle von Ewald August König.
Alten hatten seine Neugierde mächtig ge—
stachelt. n
Der Commerzienrath stieg aus, ihm folgte
Barbara, deren rosige Wangen ein Lächeln
der Glückfeligkeit umspielte, dann Georg und
zuletzt dessen Mutter. Das Anttitz Georgs
war bleich und hager, der Glanz seiner dun—
keln Augen erloschen. Er stützte sih mit der
Linken auf einen Stock, mit der Rechten auf
die Schulter des Mädchens, wie ein Kind,
dessen unsicherer, schwanker der Gang noch der
Stütze der Mutter bedarf. Als sein Blick aus
die Guirlanden und Blumen fiel, belebte ein
freudiges Lächeln seine todten Züge. — Stef
fens schüttelte bedenklich das Haupt, als er
dem jungen Maunne nachschaute, der mübsam
die Treppe erstieg.
Der sieht einem KWTodeskandidaten ähn⸗
licher, venn ?einem'glücktichen Bräutigam,“
sagtt er eise, Ddann'satnrr in »nstin Zunmer
urück, dessen Thüre er leise hinler: sich schloß.
Barbara konnte sich micht salt sehen an
der Pracht, die im Hause ihres Vaters herrschte
Sie war in dieser Beziehung noch ein Kind
jede Nippfigur erregte ihre Bewunderung.
„Das Alles gehört dir,“ sagte der Com—
merzienrath, der feine Freude nicht zu zügeln
vermochte; „du bist nun die Gebieterin in
meinem Hause, und ich werde der Erste sein,
der sich deinen Anordnungen unterwirft.“
Das Möädchen wanderte durch den Salon,
sich ganz der Freude überlassend, welche der
Anblick dieser Kostbarkeiten ihm beceitete.
Endlich kehrte sie zur Tafel zurück. ,
—„eins fehlt,“ sagte, sie, traurig das
* —
(Fortsetzung.. 5*
„So, so, da liegt also der Hase im
Pfeffer,“ sagte Jean, indem er die Knie über
einander legte und die Arme kreuzte. „Kenut
man den Bräutigam ?“
„Erinnert Ihr Euch noch des Mordver—⸗
suchs in einem hiesisen Gasthofe? Es war im
vergancenen Frühjahr.“
„War's nicht der frühere Förster des
Fre herru von Möllhaufen, der dort auf seinen
Bruderx schoß? Hiah
. „Ganz richlig, diesen Bruder ist der
Glückliche. Gerade an jenem. Tage fand der
Commerzienrath seine Tochter; sie sollte schon
damals im Hause des Vaters ihre Wohnung
aufsfchlagen, weigerte sich aber entschieden, den
Wunsch des alten Herrn zu erfüllen. Sie
wich nicht vou dem Bette des Verwundeten
und der Arzt hat oft gesagt. nur ihrer Pflege
hube der junge Mann seine Genesung zu
verdanken. Jetzt ist ex so weit hergestellt, daß
er wieder ausgehen kann, und —“
Der alte Mann brach ab, Jean erhob
sich. Ein Wagen fuhr langsam an dem Fenster,
des Partererzimmers vorbei, er hielt in der
nächsten Sekunde vor dem Thare.
Steffens setzte seinen Mops behutsam in
den Sessel, und öffnete dann die Thüre.
Jean riß den Wagenschlag auf, und zugleich
mit diesem auch die Augen, so weit die Lider
es ihm gestätteten; die Mittheilungen des
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