Full text: St. Ingberter Anzeiger

Monument für ehrgeizige Vöolkermörder?“ hörte 
ich jüngst ausrufen bei Gelegenheit des Mo— 
dellconcurses für das Mausoleum des Kaisers, 
„das kostet das Geld des darbenden Volkes 
und wir werden es ja doch zerschlagen, wenn 
der Tag kommt!“ Ja, der lodte Held hätte 
in Sanct Helena bleiben sollen, und ich will 
ihm nicht dafür stehen, daß ihm einst sein 
Grabmal zertrümmert und seine Leiche in den 
schönen Fluß geschmissen wird, an dessen Ufer 
er so sentimal ruhen sollte, nämlich in die 
Seine! Thiers hat ihm als Minister keinen 
großen Dienst geleistet“. 
Dem Valtimorer „Wecker“ theilt ein 
Schwab nachstehende, einem Briefe aus 
der Heimath entnommene Kriegs⸗-Episode (oder 
auch nur Anekdote) mit? Robert Scheufele 
aus Ulm, ein robuster Landwehrmann, wurde 
in der heißen ruhmvollen Schwabenschlacht 
bei Villiers vor Paris in der Wade leicht 
verwundet. Da es ihm im Lazareth zu lang⸗ 
weilig war, so theilte man ihn dem Sanitäts⸗ 
corps zu, wobei ihm seine Körperkraft sehr 
zu Statten kam, indem er stets einen Ver⸗ 
wundeten allein trug. Einen ächzend dalie⸗ 
genden Preußen frug er, ehe er ihn auf seine 
dreiten Schultern packte: „Wo fehlt Dir's d“ 
— ,‚Eine Kugel im Fuß!“ — war die Ant⸗ 
wort. — Scheufele eilte mit ihm dem sicher 
gelegenen Verbandplatze zu. Unterwegs sauste 
eine Granate an ihm vorüber. Sich ein wenig 
bückend, setzte er seinen Lauf fort. Als er 
beim Verbandplatz ankommt, ruft ihm der 
Arzt zu: „Aber um's Himmels willen, Sie 
hringen ja da einen Mann ohne Kopf!“ — 
Scheufele legt seine Buͤrde ab, betrachtet sie 
und sagt verduzt: „Des haun i aber net 
venkt, daß dia Breißa so lüget; sait mer der 
Kerle vo selber, daß er in Fuß g'schossa sei.“ — 
Eine schreckliche Scene spielte sich kürzlich im 
Pester Thiergarten ab, wo eine Gymnastiker⸗ 
Gesellschaft sich producirte. Die letzle Programm⸗ 
nummer war eine Velocipedefahrt, auf einem 
b0 Fuß hoch zwischen zwei Holzstangen aus⸗ 
gespannten Drahtseile. Das Rad des bei dieser 
Production angewandten Velocipedes hat eine 
Rinnẽ, in die sich das Drahtseil legt; die 
durch die Nabe laufende Achse verlängert sich 
rechts und links und bildet die obere fchmale 
Seite eines langen Rechtecks, an dessen unterer 
Querstange ein Gymnastiker Trapezkünste zum 
Besten gibt. während ein zweiter auf dem 
Belocipede sitzt. Das Seil ist durch diese Vor⸗ 
ichtung wie durch einen großen Rahmen gezo⸗ 
zen und das Velocipede kann wohl umkippen, 
iber nicht herunterfallen. Im strömenden Re⸗ 
zen erkletterten die Gymnastiker die hohe Stange, 
der Eine setzte ich auf's Velocipede, der an⸗ 
dere hängte sich an die Querstange des Tra⸗ 
pezes, um auf diese Weise den Gefährten zu 
rontrebalanciren und den Fall zu erschweren, 
In raschem Laufe ging es einmal über das 
Drahziseil, dann rücklings wieder zurück. Das 
pärliche Publikum klatschte Beifall und hatte 
zenug, nicht so die Gymnastiker. Noch einmal 
zingen sie vor; allein als sie die Milte der Bahn 
erreicht hatten, begann das Velocipede sich auf 
die Seite zu legen, der darauf sitzende warf 
ich mit dem Oberleib auf die andere Seite — 
⸗s war zu spät, das Fahrzeug fiel und der 
janze Rahmen hing umgekehrt am Seile, das 
Belocipede unten und die untere Trapezquer⸗ 
tange oben. Das Publikum brach in einen 
Schrei des Entsetzens aus, allein die Gymna⸗— 
tiker verloren die Kaltblütigkeit nicht. Der 
Helocipedist hatte im Sturze sein Fahrzeug eben 
o wenig losgelassen, als sein Genosse das 
Trapez. Nun hingen sie dort in der schwin⸗ 
delnden Höhe, anfangs mit dem Kopfe nach 
ibwärts, arbeiteten sich mühsam in sitzend-hän- 
gende Stelle empor und begannen sich ruhig mit 
zinander zu berathen was nun zu thun sei. Das 
Ergebniß war, daß der Tapezkünstler das Seil 
erfaßte und sich an demselben bis zur Stange 
entlang zog, an der er dann natürlich hinabstieg. 
Der Andere hatte ruhig ausgeharrt, bis das 
Seil frei war, und erst als dieses nicht schwankte, 
machte er das in den Speichen des Velocipedes 
derwickelte Bein los, kletterte gleichfalls bis zum 
Seile empor und brachte sich auf demselben 
Wege wie sein muthiger Gefährte nach der 
inderen Seite in Sicherheit. Das ganze 
mochte wohl an die fünf Miuuten gewährt 
haben. 
Druck und Verlag von F. X. Demetz in St. Ingbert.