setzens, der den Lippen des Bürgermeisters
unwillkührlich entfuhr, ihn bereits ahnen ließ,
daß seine Befürchtungen nicht unbegründet
waren. Es war 'ein ziemlich geräumiges, mit
allem Comfort ausgestattetes Zimmer; ein
dicker weicher Teppich bedeckte den Fußboden,
elegante Möbel, rothe Damast⸗Vorhänge, ein
hoher Spiegel in breiten Goldrahmen, meh—
rere Oelgemälde, einige kostbare chinesische
Vasen, eine Pendeluhr, veschiedene Nippsachen
und ein mit rothen Gardinen behangenes
Bett bildeten die Einrichtung, die auf vor⸗
nehme Gäste berechnet zu sein schien. Die
Vorhänge des Bettes waren zurückgeschlagen,
der erste Blick des Eintretenden fiel auf das
bleiche Gesicht einer Leiche. Der Arzt war
rasch näher getreten. Er schlug die Bettdecke
zurück und legte seine Hand auf die Brust des
Todten.
Selbstmord! sagte er mit erschütterndem
Ernst, Gott sei der Seele dieses Todten gnädig.
„Und lasse sie eingehen zum ewigen Frieden,
Amen,“ fügte der Hausknecht leise hizu,
der mit gefalteten Händen am Fußende des
Bettes stand.
„Glauben Sie, Herr Doctor, sind Sie
wirklich überzeugt, daß hier ein Selbstmord
ßorliegt!“ fragte der Richter. „Ich bin es,“
erwiderte der Arzt ruhig. „Sehen Sie, hier
liegt der Dolch, den er sich in's Herz gestoßen
hat; der Stoß ist mit Kraft und Sicherheit
zeführt worden, der Tod mußte augenblicklich
erfolgen.“
Gut, gut, aber ich bemerke auch auf jener
Seite der Leiche Blutflecken, fuhr der Richter
fort. Sie behaupten, der Tod sei augenblicklich
erfolgt; die Leiche liegt auf der linken Seite
und es läßt sich genau feststellen, welchen
Weg das abgelaufene Blut genommen hat.
Nun aber mache ich Sie auf jene Blutspuren
aufmerksam, die vereinzelt hinter der Leiche
sich vorfinden, ich glaube nicht, daß Sie —
„Nichts einfacher als dies,“ fiel der Arzt ihm
in's Wort. „Ein plötzlicher Tod hat nie oder
nur sehr selten die sofortige Lähmung des
ganzen Organismus zur Folge, die Thäligkeit
der Nerven währt, immerhin noch eine kurze
Weile, wie Sie dies an dem Körper eines
auf dem Schaffot Gerichteten beobachten kön—
nen. Demzufolge ist es nicht unmöglich, daß
die Hand des Selbstmörders, welche den Stoß
führte, zuerst auf jeue Seiten gefallen ist.“
Ah, und wie erklären Sie es, daß die
Leiche bis an das Kinn zugedeckt war, wäh—
rend doch naturgemäß der Körper nach dem
Stoße zurücksinken mußte? „Kann der Stoß
nicht unter der Decke geführt worden sein ?
erwiderte der Arzt.
Das ist allerdings möglich, aber nicht
zlaublich, sagte der Richter. In der That,
es scheint, wir stehen hier vor einem Räihsel,
dessen Lösung in tiefes Dunkel gehüllt ist,“
tügte der Bürgermeister hinzu.
Der gute Ruf meines Hotels ist für alle
Zeiten dahin, jammerte der Wirth. Niemand
vird ferner in einem Gasthofe logiren wollen,
in welchem ein Selbstmörder geendet hat.
„Guter Freund, das kann in jedem Hotel,
in jedem Privathause vorfallen,“ erwiderie der
Arzt, „nach einigen Monaten ist bereits Gras
iber die Geschichte gewachsen.“
Ich bitte die Herren, mir bei Aufnahme
des Protokolls behülflich zu sein, nahm der
Richter das Wort, der sich inzwischen gesetzt
hatte. Zuerst, wer war der Fremde? „Baron
Theodor von Reden,“ erwiderte der Ober—
ellner, „so schrieb er selbst in's Fremden⸗
duch.“
Baron Theodor von Reden? fragte der
Bürgermeister betroffen. Man sagt, er würde
unsere Comtesse von Strahlen binnen urzem
heirathen. „So sagt das Gerücht, und es be—
zauptet die Wahrheit,“ versetzte der Arzt, „ich
and vor einigen Tagen Gelegenheit, mit hier⸗
iber Gewißheit zu schaffen.“
Der Baron von Reden besitzt bedeutende
Güter und die Comtesse Eleonore von Strahlen
ist ebenfalls sehr reich, sagte der Richter —
ein Grund mehr für die Richtigkeit meiner
Vermuthung, daß hier kein Selbstmord vor⸗
iegt. Wann traf der Herr Baron ein? Ge⸗
stern Abend.“
Allein ? „Der Freiherr von Braß beglei⸗
tete ihn.“
Bemerlten Sie, daß der Baron einsilbig,
derstimmt,“ oder gar nicht ganz bei klarem
Verstaude war? „Der Herr Baron zog sich
ofort in sein Zimmer zurück,“ erwiderie der
Oberkellner, „ich fragle ihn, ob er irgend