Full text: St. Ingberter Anzeiger

physikus gegen. unsere Comtesse hat, sagte der 
Richter, als der Arzt sich entfernt hatte, fast 
scheint es mir, als ob er ihr feindlich gegen— 
über stehe. „Der blasse Brodneid, lieber Freund, 
erwiderte der Bürgermeister. „Die Comtesse 
giebt dem jungen Arzte, der sich vor einem 
Jahre hier niedergelassen hat, den Vorzug, 
seitdem ist der Kreisphysikus ihr Freund 
nicht mehr.“ 
In diesem Augenblick kehrte der Ober—⸗ 
kellner zurück. Der Freiherr von Braß sei 
bereit, dem Herrn Kreisrichter jede Auskunft 
über den Todten zu geben, sagte er, indeß 
wünsche er, daß diese Unterredung in einem 
andern Zimmer stattfinde. In einem andern 
Zimmer ? fragte der Richter befremdet. So 
sagte er.“ 
Gut, gehen wir in sein eigenes Zimmer, 
fuhr der Mann des Gesezzes rasch entschlos⸗ 
sen fort, sagen Sie ihm, daß ich ihn dort 
erwarte. 
Der Freiherr kam jetzt der Aufforderung 
des Richters ohne Zögern nach. Die äußere 
Erscheinung dieses noch ziemlich jungen Edel—⸗ 
manns machtie keinen sehr angenehmen Eindruck. 
Sein Auftreten seine Haltung und sein ganzes 
Venehmen ließen allerdings den gewandten 
feingebildeten Weltmann erkennen; aber die 
unheimliche Gluth, die in seinen tiefschwarzen 
Augen loderte, und die Verschlagenheit und 
Tücke, die in dem unstäten Blick dieser Augen 
ch spiegelte, verriethen, daß dieser Mann 
der Sclave feiner Leidenschaften war und daß 
er vor keinem Mittel zur Erreichung seines 
Zweckes zurückbebte. 
Sie wünschen, daß die Unterredung nicht 
in dem Zimmer Ihres todten Freundes statt⸗ 
finde? begann der Richter, dessen Olick prü⸗ 
fend auf den Zügen des Edelmannes ruhte. 
„Der Baron von Reden ist niemals mein 
Freund gewesen,“ erwiderte der Freiherr kurz 
angebunden. 
Der Tod sühnt Alles. „Das ist eine 
Redensart, deren Wahrheit ich nicht anerken⸗ 
nen kann. Der Baron hat mich mit seinem 
unversöhnlichen Hasse verfolgt, Sie werden 
wohl begreifen, daß der Anblick seiner Leiche 
mich in hohem Grade aufregen würde.“ 
Dennoch sind Sie gestern Abend mit ihm 
gemeinschaftlich angekommen ? „Allerdings. Der 
Zufall fügte es, daß wir die Reise hierhe 
in einem und demselben Wagen machten.“ 
Was führte Sie hierher ? „Mein Herr, 
ich glaube nicht, daß ich verpflichtet bin, 
Ihnen darüber Rechenschaft zu geben,“ erwi⸗— 
derte der Freiherr mit kalter Gemessenheit, 
vährend er aus seinem Portefeuille ein Pa⸗ 
pier nahm, welches er auf den Tisch warf. 
„Hier ist mein Paß, Sie werden denselben 
in Ordnung finden.“ 
Herr Baron, Sie werden die Güte haben, 
nir diejenigen Fragen zu beantworten, die 
ich in meiner Eigenschaft als Beamter an Sie 
zu richten für gut befinde, sagte der Richter 
ruhig. Sie wissen, was den Baron von Reden 
hierher führte, ich muß Sie ersuchen, mir die 
nöthigen Mittheilungen über den Zweck dieser 
Reise zu machen. Der Freiherr biß sich auf 
die Lippen und schleuderte dem Richter einen 
Blick zu, in welchem Haß und Wuth sich 
spiegelten. „Fragen Sie, ich werde ant—⸗ 
worten.“ 
Sie hatten mit dem Baron von Reden 
ein Rencontre verabredet, das Duell sollte 
heute Morgen zwischen fünf und sechs Uhr 
in der Nähe dieses Städtchens stattfiaden. 
„So ist es.“ 
Ich wünsche die Ursache dieses Duells zu 
erfahren. „Ich hatte die Ehre einer Dame 
beleidigt, die dem Baron nahe stand.“ 
Wurden auf der Reise hierher zwischen 
Ihnen und dem Baron Worte gewechselt?“ 
„Nein.“ 
Wann sahen Sie den Baron zum letzten 
Mal? „Gestern Abend, bevor er sich in sein 
Zimmer zurückzog.“ 
Der Richter mußte jetzt die Ueberzeugung 
zgewonnen haben, daß sein Verdacht unbegrün⸗ 
det und die Ansicht des Arztes allein richtig 
war; er erhob sich und traf die Anstalten, 
den Gasthof zu verlassen. 
Apropos! wandte er sich noch einmal an 
den Freiherrn, der inzwischen an das Fenster 
zetreten war, Sie haben vielleicht eine Ahn— 
ung von den Gründen, welche den Baron zu 
diesem verzweifelten Schritt trieben? Der 
Freiherr zuckte mit einer Geberde kalter Ge— 
ringschätzung die Achseln. „Ich hatte den ersten 
Schuß und darf mich rühmen, ein sehr ge⸗ 
übter Schütze zu sein; vielleicht konnte er den