Anterhaltungsblatt
Am
St. Ingberter Anzeiger.
Xr. 75. Dienstag, den 27. Juni
1871.
Ein dunkles Geheimniß.*)
Novelle von
Ewald August König.
Die Waffen, welche der Freiherr wählte,
waren nicht immer eines Edelmannes würdig.
Unter der Maske aufrichtiger Freundschaft
näherte er sich seinem Nebenbuhler und es
gelang ihm, sich das Vertrauen des Barons
iowohl wie auch das der Comtesse zu erwerben.
Und diese Freundschaft schob er als Grund
einer Warnung vor, als er die Comtesse auf
die Untreue, den Leichtsinn und die Charak—-
erlosigkeit ihres Verlobten aufmerksam machte.
Die Verleumdung findet stets ein offenes Ohrz
venn auch Eleonore dem Freiherrn gegenüber
hren Verlobten in Schutz nahm, so dachte
sie doch im Stillen über die Worte desselben
nach und dem Baron konnte es nicht verbor⸗
zen bleiben, daß die Comtesse zurückhaltender
gegen ihn wurde. Er bat sie, ihm den Grund die⸗
er Zurückhaltung zu nennen, und Eleonore
theilte ihm denselben ohne Rückhalt mit. Das
Resultat dieser geheimen und ziemlich stürmi—
schen Unterredung war die Herausforderung
des Barons, welche der Freiherr ohne Wider⸗
rede annahm.
Das Duell sollte im Parke der Comtesse
stattfinden, in der Nacht vor dem festgesetzten
Taçe entleibte ber Baron fich. Der Freiherr
fand sich pünktlich auf dem Duellplatze ein,
er verließ denselben erst, nachdem er seinen
Begner drei Stunden vergeblich erwartet und
der Secundant des Barons erklärt hatte, der
Freiherr habe seine Verpflichtungen als Esren—
mann vollständig erfüllt. —
Eleonore ahnte von diesen Ereignissen
nichts, die Herausforderung war ihr g heim
zehalten worden, sie erwartete an diesemn Tage
den Besuch ihres Verlobten, der ihr briench
(Fortsetzung.
Der Baron von Reden hatte die Comtesse
in der Residenz kennen gelernt; der sittliche
Ernst, die Charakterfestigkeit und das ritterliche
Benehmen dieses Edelmannes machten einen
günstigen Eindruck auf Eleonore, sie erkannte
in ihm gewissermaßen das Ebenbild ihres
Vaters und als der Baron sich ihr zu nähern
versuchte, ließ sie es geschehen, ohne indeß
durch Gunstbezeugungen dazu aufzumuntern.
Im Laufe der Zeit bildete sich ein freund⸗
schaftliches Verhältniß zwischen den jungen
Leuten, welches sehr bald zur Verlobung und
Hochzeit geführt haben würde, wenn nicht der
Freiherr von Braß der Comtesse über die
Lebensweise des Barons plötzlich die Augen
geöffnet hätte. Der Freiherr bewarb sich schon
seit einem Jahre vergeblich um die Gunst der
r ichen Comtesse, deren Herz und Hand er
im Sturme erobern zu können gehofft hatte.
Er stand bereits auf dem Punkte, sich zurück⸗
zuziehen, und dem Gedanken an die Heirath
mit Eleonore zu entsagen, als der Varon
von Reden auf dem Schauplatze erschien. Der
glänzende Erfolg, den alle Bemühungen des
Barons fanden, weckte und nährte in der
Seele des Freiherrn den Neid, und er glaubte
es jetzt seiner Ehre schuldig zu sein, den
Kampf mit dem begünstigten Rebenbuhler an⸗
zunehmen.