Full text: St. Ingberter Anzeiger

mitgetheilt hatte, er werde bei diesem Besuch 
äch wegen der über seinen Lebenswandel und 
Tharakter in Umlauf gesetzten Gerüchte vor 
ihe rechtfertigen. 
Sie erwartete ungeduldig die Ankunft 
des Rarons; es drängte sie, ihm zu erklären, 
daß sie in die Aufrichtigkeit seiner Gesinnung 
und die Festigkeit seines Charakters niemals 
Zweifel gesetzt habe, daß sie alle jene Gerüchte 
nur für Erfindung eines böswilligen Verleum— 
ders halte, und daß sie bereit sei, ihre ganze 
Zukunft vertrauensvoll in die Hände des Ver⸗ 
lobten niederzulegen. 
Da trat an Stelle des sehnlich erwarteten 
Barons kurz nach Tisch der Freiherr in das 
Boudoir der Comtesse und Eleouore las augen⸗ 
blicklich in den Zügen des Eintretenden, daß 
er der Ueberbringer einer Hiobspost war. 
Eine entsetzliche Ahnung tauchte in ihrer 
Seele auf, sie erinnerte sich, daß sie vor we⸗ 
nigen Tagen dem Baron den Namen seines 
Verläumders genannt hatte, und an diese 
Erinnerung knuͤpfte die begründete Befürchtung 
sich, doß der Verläumdete Genugthuung ge⸗ 
fordert habe und im Zweikampf mit seinem 
Gegner geblieben sei. 
Sagen Sie mir offen und ohne Um⸗ 
schweife die Wahrheit, rief sie in fieberhafter 
Aufregung dem Freiherrn entgegen. Sie ha⸗ 
ben ein Rencontre mit dem Baron gehabt 
und Ihr Gegner — „Gnädiges Fräulein, 
der Baron von Reden ist weder Ihrer Theil⸗ 
nahme noch Ihrer Achtung werth,“ unterbrach 
der Freiherr sie ruhig, „die Ereignisse der 
vderflossenen Nacht haben bewiesen, daß er 
niweder ein Feigling war, oder daß eine 
schwere Schuld auf seinem Gewissen lastete. 
Der Baron von Reden steht vor einem höheren 
Richter, wir wollen über seine Vergangenheit 
den Manftel der Liebe werfen.“ Stier, mit 
dem Ausdruck namenlosen Entsetzens, ruhte 
der Blick Eleonore's auf den Zügen des Edel⸗ 
mannes, der nach jenen mit erschütterndem 
Ernst gesprochenen Worten sich in einen Sessel 
zesetzt hatte und jetzt mit seinem feinen Bat— 
— 
Der Baron von Reden steht vor einem 
höheren Richter? Uns Sie — „Ich habe 
leine Schuld an seinem Tode, aber ich ver⸗ 
sichere Sie, es wäre mir lieber gewesen, wenn 
in ehrlichen Zweikampfe meine Hand in nie— 
zergestreckt hätte. Was ihn bewogen hat, selbst 
Hand an sein Leben zu legen, und zwar in 
der Nacht, die einem Tage vorherging, an 
velchem er mit bewaffnetem Arm seine Ehre 
vertheidigen sollte, ist mir ein Räthsel.“ 
Die Comtesse hatte sich rasch erhoben, fie 
legte ihre feine weiße Hand auf die Schulter 
des Freiherrn und blickte ihm so scharf und 
unverwandt ins Auge, als ob sie die Hoffnung 
hege, auf den Grund seiner Seele dringen zu 
önnen. 
Das kann nicht wahr sein, Herr Baron, 
'agte sie mit dumpfer, tonloser Stimme, hören 
Sie, es kann nicht wahr sein. Was Sie mir 
nuch über die Vergangenheit meines Verlobten 
nittheilen mögen, so tief kann er nicht ge— 
unken sein, daß er sich selbst entleibt haben 
oll. Freiherr von Braß, wenn mein Ver—⸗ 
obter todt ist, so klebt sein Blut an Ihren 
dänden, Sie — Sie haben ihn gemordet. 
Glühender Haß loderte plötzlich in den 
dunklen Augen des Freiherrn auf, aber in 
der nächsten Sekunde nahmen seine Züge 
wieder den Ausdruck der herzlichen Theilnahme 
an. „Ich vergebe Ihnen diese Worte, Eleo⸗ 
nore,“ erwiderte er, „die Aufregung des 
Augenblicks entschuldigt sie. Sie sagen, der 
Baron von Reden könne nicht so tief gesun— 
len sein, und ich finde dareuf keine andere 
Erwiderung, als daß ich das Räthsel nicht 
zu lösen vermag, welches er uns hinterlassen 
jat. Der Baron von Reden war mein Freund 
zis zu dem Augenblick, in welchem ich über 
eine Vergangenhet Kenntniß erhielt; ich 
varnte Sie, weil ich es für meine Pflicht 
zjielt, Ihnen den Abgrund zu zeigen, vor 
velchem Sie standen. Der Baron forderte 
Benugthuung, ich erklärte mich bereit, sie ihm 
zu geben, das Duell sollte heute Morgen in 
Ihrem Parke stattfinden. Der Zufall wollte, 
daß wir die Reise hierher gemeinschaftlich 
nachten, wir nahmen Beide in D. im Gast⸗ 
hofe „jum weißen Roß“ Quartier. Heute 
Morgen erwartete ich auf dem Duellplatze 
bergeblich meinen Gegner, man fand ihn spaͤ— 
ter todt in seiinem- Zimmer und der Kreis⸗ 
ohysikus hat im Protokoll den Selbstmord 
onstatirt.“ 
Schweigend hatte Eleonore den Bericht