Full text: St. Ingberter Anzeiger

Die Einrichtung derselben ließ in Bezug auf 
den Comfort kaum etwas zu wünschen, man 
tonnte sie fogar elegant nennen. Auch fand 
der neue Verwalter sich angenehm überrtascht 
zurch die Entdeckung, daß die Verwaltungs⸗ 
zücher sich in der besten Ordnung befanden 
ind der Freiherr mit seiner Behauptung, daß, 
Dank den Kenninissen und Erfahrungen der 
Tomteffe, von einem Chaos nicht die Rede 
jein könne, Recht behielt. 
Stern haite dies bei der ersten flüchtigen 
Durchsicht der Rechnungsbücher bereits entdeckt, 
eine genauere Prüfung behielt er sich für die 
nächsten Tage vor, da er vorher die einzelnen 
Pachtgüter besichtigen wollte. Er Lehrte im 
daufe des Vormittags in den Gafthof „zur 
Sonne“ zurück, ließ seine Habseligkeiten in 
seine neue Wohnung schaffen und trat gleich 
nach Tisch seine Wanderung an, von der er 
erst am Abend heimkehrte. Er hatte heute 
aut den herrschaftlichen Forft befichtigt und 
das Resultat dieser Bestchtigung ihn nicht 
befriedigt. Es war ihm aufgefallen, daß man 
in der jüngsten Zeit im Forst bedeutende 
Massen Holz geschlaßgen und vorzüglich die 
schönsten Stämme gefällt hatte und er fonnte 
ich der Vermuthung nicht erwehren, daß dies 
ohne Vorwissen der Comtesse geschehen sei. 
Darüber wollte er sich Gewißheit verschaffen, 
und er hoffte durch den Förster die gewünschte 
Auskunft' zu erhalten. Aus diesem Grunde 
berfügte er sich am nächsten Tage abermals 
in den Forst und der Zufall fügte es, daß 
er schon am Waldessaum dem Förster begeg⸗ 
nete. 
Er redete ihn an, stekllte sich ihm als 
Verwalter der Strahlen'schen Güter vor und 
fragte ihn ohne Umschweife, wann und in 
welchem Auftrage der Wald so sehr gelichtet 
worden sei. Der Blick des Forsters ruhte eine 
geranme Weile forschend auf den Zügen des 
sungen Mannes, der diesem Blick mit ehrlicher 
Offenheit begegnete. 
Glauden Sie, daß ich die schönsten Eichen 
mir vor die Füße legen ließ, wenn nicht das 
gnädige Fräulein dazu den Bejfehl gegeben 
hätte F erwiderte der Förster im Tone der 
Entrüstung. Vor vier Wochen hat der Frei⸗ 
herr von Braß die Holzhauer hierher geschickt 
and selbst die Siämme bezeichnet, die gefällt 
verden sollten. Es sind ihrer schon viele fort⸗ 
Jeschaft worden, — na, mich lümmert's nicht, 
Iber wenn ich nächstens kein Wild mehr in 
die herrschaftliche Küche liefern kann — „Der 
Freiherr also hat den Befehl gegeben?“ fragte 
—Stern unwillig. „Weshalb stellten Sie der 
TFomtesse nicht vor, daß dieser Befehl den 
Wald ruiniren werde?“ 
Weshalb? entgegnete der Förster achsel⸗ 
suckend. Seit der Freiherr von Braß drüben 
m Schlosse ist, wird Niemand voigelassen, 
der nicht zuvor sein Anliegen dem Herrn 
Baron genannt hat. Dir Leute behaupten, 
der Baron werde demnächst die ganze Herr⸗ 
schast in die Tasche stecken: ob's wahr ist, 
veiß ich nicht, aber fast möchte ich's glauben. 
Ich hab's versucht, dem gnädigen Fräulein 
ibec diesen Holzfrevel Rapport zu erstatten, 
aber im Schloß wurde ich durch den Kam⸗ 
nerdiener an den Baron verwiesen und hier⸗ 
her kommt die Gräfin nur selten. 
Der Verwalter schüttelte bedenklich den 
cdopf. „Ich kann mir nicht denken, daß es so 
chwer sein soll, eine Audienz bei der Gräfin 
zu erhalten; wenn der Kammerdiener mich 
nicht aumelden will, gehe ich unangemeldet:“ 
Das ist rascher gesagt, denn gethan. Und 
selbst wenn es Ihnen gelänge, würden Sie 
doch neben der Comtesse den Freiherrn finden. 
Aber bis jetzt ist es noch Niemandem gelun⸗ 
zen, seitdem der Baron im Schlosse logitt. 
Wenn Sie ein ehrlicher Mann sind, werden 
Sie es auch noch erfahren. „Wenn ich ein 
ehrlicher Maan bin?“ fragte Stern befremdet. 
„Halten Sie mich —“ 
Lieber Herr, nehmen Sie nur die Worte 
nicht übel, ich bin ein alter Mann und habe 
nanche bittre Erfahrung machen müssen. Mei— 
netwegen mag es hüben und drüben zugehen, 
wie es will, ich künmeke mich nicht mehr 
darum, aber wenn der rechte Mann kommt 
ind zu mir sagt: Schuster, wir wollen dem 
Dinge ein Ende machen, so kann er auf meine 
kräftige Hülfe rechnen. „Und wenn. ich nun 
kuch sagte, ich durchschaute das Netz, welches 
man um die Comtesse gesponnen hat, und es 
ist meine redliche Absicht, ihr die Augen zu 
ziffnen, würdet Ihr mir Euren Beistand zu— 
agen ? 
Von Herzen gern, erwiderte der Föester,