Full text: St. Ingberter Anzeiger

Grafen von Strahlen vor einem Schandfleck 
zu bewahren. 
Als der Freiherr das Boudoir verlassen 
hatte, gab Eleonore, die bis zu diesem Augen- 
dlick ihre Fassung mühsam behauptete, sich 
rückhaltslos ihrem Zorne hin. Sie hatte nie 
ein tieferes Gefühl für diesen Mann empfun⸗ 
den, ja nicht einmal so sehr ihn geachtet, daß 
sie ihm ihre Zukunft anvertraut haben würde, 
jetzt aber verachtete sie ihn. Hatte er, als 
er behauptete, der Verwalter stehe zwischen 
ihm und ihrem Herzen, den wunden Fleck ge⸗ 
troffen ? Hatte seine Aeußerung, diese Liebe 
werde ein Schandfleck sein auf dem reinen 
Wappen der Grafen von Strahlen ihren 
Adelstolz aufgerüttelt? Oder war es nur die 
Entrüstang über das rohe Benehmen und die 
Drohungen des Freiherrn, was sie so sehr 
aufregte und den Kampf der Leidenschaften in 
ihrer Seele entfesselte? Ihre Wangen glühten, 
ihre sonst so sanften Augen schleuderten Blitze 
und stürmisch wogte der Busen unter dem eng 
anliegenden Mieder. 
Eleonore zog die Glocke. „Der Braune 
soll augenblicklich gesattelt werden ?“ rief sie 
dem eintretenden Diener entgegen. Glaubte 
sie draußen Ruhe zu finden, den tobenden 
Kampf beschwichtigen zu können? Vielleicht, 
draußen im Walde herrschte feierliche Stille, 
der Frieden der Natur mußte ja beruhigend 
auf das Gemüth wirken. 
So hatte Eleonore nie vorher ihren Ren— 
ner ausgreifen lassen, wie sie es an diesem 
Nachmittag that. Der alte ehrliche Kutscher 
dlickte ihr mit bedenklichem Kopfschütteln nach; 
er ahnte, daß dieser wilde Ritt die Gemüths⸗ 
stimmung seiner Herrin bezeichnete, und gerade 
deßhalb befürchtete er ein Unglück. 
Aber Eleonare war eine geübte Reiterin 
und das Pferd kannte seine Herrin. Als die 
Comtesse den Wald erreicht hatte, überließ sie 
es dem klugen Thiere, den Weg zu wählen; 
in düsterem Sinnen verloren, ritt sie langsam 
unter den Bäumen dahin. Jer Weg führte 
sie an der Wohnung des Förfters vorbei; 
sie stutzte, als sie vor der Thür des kleinen, 
freundlichen Hauses eins ihrer eigenen Pferde 
bemerkte. Im ersten Augenblick vermuthete sie 
der Freiherr habe dasselbe Mittel zur Be— 
ämpfung seiner Leidenschaft gewählt und eben⸗ 
alls diese Richtung eingeschlagen, und schon 
vollte sie umkehren, nur um Jenem nicht zu 
zegegnen, als sie ihren Verwalter in Begleit 
uing des Forsters hexaustreten sah. Er grüßte, 
ie dankte kühl; was ihn bewogen hatte, den 
Förster zu besuchen, glaubte sie zu errathen. 
Der alte Waidmann hatte eine Tochter und 
zie achtzehnjährige Marie war das schönste 
Mädchen in einem Umkreise von zehn Meilen. 
— Aber konnte nicht eben so gut irçend eine 
Angelegenheit in der Forstverwaltung den 
ungen Mann tzum Förster geführt haben? 
Und wenn wirklich sein Besuch nur der schö— 
aen Försterstochter gelt, war Elesnore be⸗ 
rechtigt, ihm deshalb einen Vorwurf zu 
nachen? 
(Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
Was man nicht Alles seinen Lesern bieten 
zarf! Ein fonst trefflich geschriebener „Times?“— 
Artikel über die gegenwärtige Lage Frantreichs 
ieht schon voraus, wie für den Fall einer 
zranzösischen Intervention in Italien die preu⸗ 
zischen Bataillone zur Unterstützung Italiens 
nit der Gotthardbahn befördert werden. Nun 
st die Gotthardbahn noch nicht einmal ange⸗ 
'angen, geschweige denn vollendet und selbst 
dann würde niemals eine bewaffnete Macht 
Deutschlands oder Italiens dieselbe benutzen 
XD 
Der Bierserbrauch beträgt per Kopf in 
hayern 80 Maß, in England 74 Maß, 
Belgien 531 Maß, Württemberg 40 Maß, 
Desterreich 10 Maß, Frankreich 13Maß, 
Schweiz 12 Maß, Preußen 10 Maß. Die 
Biersteuer liefert in England 133 Millionen 
Franten oder 7,8 Procent aller Staatsein— 
ünfte, in Oesterreich 40 Milliouen oder 2,0 
Procent, in Bayern 18 Millionen oder 15,8 
Procent, in Frankreich 16 Millionen oder 1,8 
Procent, in Preußen 62 Millionen Franken 
oder 1,3 Procent aller Staatseinkünfte. 
Druck und Verlag vone F. X. Deiaetz in St. Ingbert.