Full text: St. Ingberter Anzeiger

der Verlobte unserer Comtesse, im Gasthofe 
zur Sonne“ ermordet gefunden wurde? 
Sebr genau, er hat selbst sich das Leben 
genommen.“ 
So sagt man, aber ich glaube es nicht! 
„Es lagen Beweise dafür vor.“ 
Sagen Sie besser, es lagen keine Beweife 
für einen Selbstmord vor. „Der Kreisphysikus 
hat den Selbstmord constatirt.“ 
Allerdings weil er sich nicht die Mühe 
nahm, die Lesche genauer zu untersuchen. 
Setzen Sie sich dorthin auf jenen Baumstumpf 
und bören Sie mich ruhig an, nachher will 
ich noch einmal Sie fragen ob Sie meiner 
Anficht beipflichten, oder nicht. Baron Theodor 
von Reden war mit mir befreundet; als ich 
bor drei Jahren von ihm schied, um eine 
weite Reise auzutreten, hatte er sich bereits 
der Comtesse von Strahlen mit solch enischie⸗ 
denem Glück genähert, daß ich mit der 
Ueberzeugung Abschied nahm, er werde binnen 
Jahresfrist der glückliche Gatte dieser schönen 
und reichen Dame sein. Je näher die Beiden 
einander kennen lernten, desto inniger ward 
ihre Freundschaft, und in der That, Baron 
von Reden verdiente es, geliebt zu werden. 
Er war ein schöner Mann, männliche Cha— 
rakterfestigkeit, Gemüthstiese und Edelmuth, 
zierten ihn und die Comtesse hatte keine schlechte 
Wahl getroffen, als sie ihm ihr Herz und 
ihre Hand zusagte. So geheim auch die Beiden 
diese Verlobung hielten dem scharfen Blick 
des Freiherrn entging sie nicht und da sie 
seine Wünsche und Hoffnungen durchkreuzte, 
so erfüllte sie ihn mit unveisöhnlichem Haß 
gegen den begünstigten Nebenbuhler. Auf dem 
geraden Wege gegen den Rivalen in die 
Schranken zu reten, ihm eine tödtliche Be— 
leidigung ins Gesicht zu werfen und daraus 
der Spitze seines Degens sein Glück anzuver⸗ 
trauen, dafür war er zu feige, er wählte eine 
andere, eines Edelmannes unwürdige Waffe. 
Aeußerlich eine uneigennützige Freundschaft 
heuchelnd, näherte er sich dem glücklichen 
Brautpaare und es gelang ihm, sein Gift 
in die arglose vertrauende Seele der Comresse 
auszu ießen. Durch Briefe, die das Brand⸗ 
mal der Fälschung an der Stirn trugen, be⸗ 
wies er der Comtesse, daß ihr Verlobter ein 
junges Mädchen aus bürgerlichem Stande ver⸗ 
sührt und entehrt hatte, er bewies ihr ferner, 
daß der Varon von Reden dem Hazardspiele 
opferte, und daß er ein Sclave seiner Lei⸗ 
denschaften war. Das reine Herz der jungen 
Gräfin schreckte vor diesen Beweisen niedriger 
Gesiunung zurück, und dem Baron konnte 
hre kalte Zurückhaltung, ihr tiefer Seelen⸗ 
schmerz nicht verborgen bleiben. Es kam zwi⸗ 
schen den Beiden zu einer Erklärung und der 
Freiherr hatte nicht darann gedacht, daß die 
Fomtesse so aufrichtig sein werde, ihrem 
Berlobten den Namen seines Verleumders zu 
nennen. 
Der Baron züchtigte den Freiherrn dafür 
öffentlich mit der Reitpeitsche, fuhr der Ver⸗ 
walter fort, der Verleumder mußte daher 
Genugthuung für diesen Schimpf fordern. 
dier sollte das Duell stattfinden, in der Nacht 
dor · dem zum Zweilampf bestimmten Tage 
lozirten die beiden Gegner in einem und 
demselben Gasthofe. Man hat am nächsten 
Porgen den Baron todt in seinem Bette ge⸗ 
funden und das Gerücht das sich vielseitig 
verbreitet hat, will behaupten, er selbst habe 
ich das Leben genommen. Ich erfuhr das 
Allee, als ich kurz nach jenem Vorfall von 
meiner Reise zurücktehrte, und sofort erwachte 
in meiner Seele der Verdacht, daß hier kein 
Selbstmord vorliegen könne. Der Baron hatte, 
als der Geforderte, den ersten Schuß, er war 
ein Schütze. der die Schwalben aus den 
Wolken herunt rholte, und seiner eigenen durch 
die Hand eines Schurken besudelien Ehre 
zalt das Duell. Nun frage ich Sie, war es 
nicht mit Gewißheit anzunthmen, daß der 
Baron in einer Distanz von nur zehn Schrit— 
ten seinen Gegner niederstrecken würde ? konnte 
irgend ein Zweifel darüber obwalten, daß er 
dem Ausgaage dieses Duells mit Ruhe ent⸗ 
gegen gehen durfte, umsomehr, als sein Geg⸗ 
ner in den Waffen wenig geübt und dazu 
eine feige Memme war? Aber noch eins kam 
dazu, was den Verdacht nährte und befestigte. 
Es war erwiesen, daß der Baron vor der 
Abreise aus der Residenz bei seinem Bankier 
fünftausend Thaler erhoben und die Bank— 
aoten im Beiscin einiger Freunde in seine 
Brieftasche gelegt hatte. Diese Summe fand 
ich nach seinem Tode nicht mehr vor, das 
Portefeunille enthielt einen sehr geringen Betrag