Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wunsches nicht ermöglicht haben winde, selbst 
venn er in dem Flechtwerk oder der Thür 
eiuen Spalt gefunden hätte. Sonderbar, mur⸗ 
melte er, weßhalb mögen diese Fenster so 
dicht verhangen sein ? Ich erinnere mich nicht, 
unter den mir übergebenen Schlüsseln den 
zur Einsiedelci gefunden zu haben, — besser 
also, ich rede vorher mit der Comtesse dar⸗ 
über. 
Im Begriff, seinen Weg fortzusetzen, 
Jlaubte der Verwalter plötlich Schritte zu 
bernehrwen. Er trat rasch hinter den Stamm 
einer alten schlanken Eiche; die Vermuthung, 
daß der Näherkommende der Freiherr sei, 
und der Vorsatz, zu erfahren, was Jenen zu 
dieser Stunde in den Park sührte, bewog ihn 
zu lauschen. Er fah sich zwar in seiner Ver⸗ 
muthung getäuscht, als er den Kutscher der 
Comtesse erkannte, dennoch trat er nicht binter 
dem Baumstamm hervor, die ängstliche Vor— 
sicht, mit welcher der Kutscher sich der Ein⸗ 
iedelei näherte, erregte seine Neugier in ho⸗ 
hem Grade. Sein Erstaunen wuchs, als er 
hemerkte, daß der Kutscher eine Blendlaterne 
aus der Tasche seines Rockes zog und darauf 
die Thür öffnete. 
Er würde nun hierin nichts Verdächtiges 
—X 
sedelei werde zur Aufbewahrung der Fourage 
henutzt, wenn nicht der Kutscher fich zu wie⸗ 
derholten Malen so scheu umgeblickt hätte. 
Daraus mußte der Werwalter den Beweis 
siehen, daß seine erste Ahnung begründet 
war, daß die Einsiedelei in der That ein 
Geheimniß barg und zugleich erregte diescs 
geheimnißvolle Gebahren in seiner Seele den 
Verdacht, daß auch der Kutscher nicht treu 
sei, daß auch er im Solde des Freiherrn 
von Braß siehe. Darüber konnte er sich rasch 
und sicher Gewißheil verschaffen, wenn er den 
untreuen Diener auf verbotenem Wege ertappte 
und eine solche Gelegenheit durfte er nicht 
unbenutzt lassen. Mit den Worten: Halt! 
Was habt Ihr hier zu suchen? trat er in 
demselben Augenblick, in welchem der alte 
Mann die Thür öffnete, hinter dem Baume 
hervor. 
Der Kuischer blickte sich erschreckt um, er 
wollte die Thur wieder schließen, aber der 
zunge Mann kam ihm zuvor. Laßt offen, 
zuter Freund, sagte er, mich verlangt zu wis⸗ 
en, was in diefem Kasten so streng verborgen 
zehalten wird. „Verborgen?“ erwiderte der 
dutscher, der sich vergeblich bemühte, Unbe⸗ 
angenheit zu heucheln. „Was führt Sie zu 
ieser Vermuthung? Ich bin im Auftrage 
)es gnädigen Fräuleins hier und wenn Sie 
zlauben —“ 
Nur nicht so viele Worte, fiel der Ver⸗ 
valter ihm ungeduldig in's Wort. Wärt Ihr 
m Auftrage der Comtesse gekommen, würdet 
Ihr nicht so scheu und heimlich herangeschlichen 
ein, — also vorwärts. „Wie aber, wenn 
dieses Häuschen wirklich ein Geheimniß birgt 
ind ich von dem guädigen Fräulein auserfehen 
»in, dieses Geheimniß zu bewahren und zu 
hützen ? 
Redensart! Die Gräfin von Strahlen 
vird nicht so unklug sein, ihren Dienern 
Beheimnisse anzuvertrauen. Gebt Raum, und 
aßt mich hinein, oder ich mache kurzen Pro— 
eß. Der alte Mann mochte einsehen, daß er 
in Körperkraft dem Verwalter nicht gewachsen 
var, dennoch blieb er auf der Schwelle der 
Finsiedelei stehen. „Ich habe strengen Befehl, 
Nieinand einzulassen,“ sagte er, „respectiren 
Sie diesen Befehl und setzen Sie sich nicht 
vem Zorne des gnädigen Fräuleins aus. 
Ich wuͤrde es bedauernd für die Gräfin und 
ür Sie.“ 
Weshalb? fragte Stern rasch, dessen Blick 
mverwandt auf den ehrlichen Zügen des 
dutschers ruhte. „Weil ich Sie für einen 
hrlichen Mann und für einen Freund des 
mmädigen Fräuleins halte.“ 
Eben deßnalb will ich wissen, warum Ihr 
'o spät und so heimlich Euch hierherschleicht. 
Ich vermuthe stark, daß Ihr in den Schuhen 
kures Kameraden, des Kammersdieners, steckt, 
m Schlosse wimmelt es ja von Spionen und 
äuflichen Creaturen. Sie glauben, daß auch 
ch ein Spion sei?“ fragte der Kutscher, in 
» ssen Augen es zornig aufblitzte. „Ach, mö⸗ 
zjen Sie's glauben, das gnädige Fiäulein 
ennt mich besser, und ich hoffe, die Stunde 
vird konmen, die Ihnen beweist, daß Sie 
mir Unrecht gethaun haben.“ 
— So beweist es mir jetzt, eine günsti— 
zere Gelegenheit könnt Iyr nicht finden. Birgt 
dieser Pavillon wirllich ein Geheimniß des