Full text: St. Ingberter Anzeiger

an sich halten; der stechende Blick voll bos⸗ 
hafter Tücke und das Lächeln triumphirenden 
Hohns auf den Lippen des' Freiherrn schürten 
in seiner Seele die Gluth des Hasses, daß 
sie hoch aufloderte. Er gedachte seines Vor⸗ 
habens und bezwang sich. 
Wenn der Herr Baron das behauptet, so 
wird er wohl Gründe dazu haben, erwiderte 
er, den Blick fest auf die Züge des Edel— 
mannes gerichtet, wer die Comtesse kennt, 
wird wissen, daß ihre reine Seele vor Allem 
zurückbebt, was qian im gewöhnlichen Leben 
niedrig und gemein zu nennen pflegt. Ich 
könnte Ihnen ein Beleg zu ihrer Charakter⸗ 
festigkeit liefern und einen ihr im Range eben⸗ 
bürtigen Mann nennen, der sich durch seine 
niedrigen Gesinnungen ihre Verachtungen zu—⸗ 
gezogen hat, aber wozu? Mag Jeder sich 
seine Anficht über sie bilden, ich hoffe, wir 
Alle wissen — „Ah, Sie weichen aus,“ 
unterbrach der Freiherr ihn mit kaltem Hohn. 
Ich weiche aus, weil ich es für überflüssig 
halte, die Gräfin an diesem Orte und in 
diesem Kreise zu vertheidigen, an einem an— 
deren Orte dagegen siehe ich gern zu Dien⸗ 
sten, fuhr der Verwalter mit scharfer Betonung 
fort. Die Ehre einer Dame ist zu hart, als 
daß man im Wirthshause sie abwägen dürfte, 
ich sehe sie lieber auf der Degenspitze. Diese 
Worte verfehlten den beabsichtigten Eindruck 
nicht. Der Verwalter hatte absfichtlich so offen 
mit einer Herausforderung gedroht, um der 
Gesellschaft zu beweisen, daß der Freiherr in 
der That eine feige Memme war. Dieser 
Beneis gelang ihm vollständig, der Edelmann 
begnügte sich damit, die Drohung durch einen 
zlühenden Blick des Hasses zu erwidern. 
Ich denke, wir streiten uns um des Kai— 
sers Bart, nahm der Arzt das Wort. Sto⸗ 
ßen wir an auf das Wohl der Gräfin von 
Strahlen, die wir Alle lieben und ehren. 
„Da haben Sie Recht,“ sagte der Bürger⸗ 
meister, „und in diesem Punkte wird die ganze 
Stadt mit Ihnen übercinstimmen.“ 
Lieben? Die ganze Stadt? warf der 
Freiherr ein. Bah, es lohnt sich nicht der 
Mühe, daß man wegen einer solchen Bagatelle 
sich erhitzt, aber die Stunde kommt, in der 
man sagen wird, ich habe Recht gehabt. „Ich 
glaubte, Sie seien schon gestern abgereist,“ 
wvandte Stern sich zu dem Edelmann, der 
nach jener Bemerkung sein Glas hastig geleert 
hatte. „Für den Fall Sie in den nächsten 
Tagen zur Residenz zurückktehren, möchie ich 
A 
Ich reise ab, wann es mir gefällt, fiel 
der Freiherr ihm barsch in's Wort, vorläufig 
gedenke ich noch einige Wochen hier zu bleiben. 
„Dann werden Sie mir wohl die Ehre er— 
zelgen, meine Einladung auf morgen Abend 
anzunehmen,“ sagte der Arzt, „ich feiere 
morgen mein Geburtsfest und gedenke den 
Abend dieses hochwichtigen Tages im Kieise 
meiner Freunde festlich zu begehen; auch Sie 
meine Herren sind freundlichst dazu einge⸗ 
laden.“ 
Sie feiern morgen Ihren Geburtstag? 
fragte der Wirth erstaunt. „Ja, und zwar in 
Ihrem Hause, wenn Sie die Bewirthung 
übernehmen und mir für den Abend ein Zim— 
mer einränmen wollen.“ 
Apropos, wie steht es mit Nummer Sie— 
benzehn?“ fragte der Verwalter. „Nicht besser 
wie früher,“ erwiderte der Wirth seufzend. 
„Ich darf's keinem Gust anbieten, ohne ihm 
vorher den traurigen Vorfall mitzutheilen, 
und nach diesen Mittheilungen will Niemand 
dort schlafen.“ 
So wollen wir in diesem Zimmer morgen 
Abend speisen und die Nacht in demselben 
verbringen, sagte der Arzt ruhig; ich hoffe, 
den Herren wird's recht sein. „Der Einzige 
unter uns, der dagegen vielleicht etwas einzu— 
wenden findet, ist der Herr Baron,“ erwi⸗ 
derte der Verwalter mit einem lauernden 
Seitenblick auf den Freiherrn, der gleichgültig 
die Achseln zuckte und mit demselben Gleich— 
muth den Rauchwölkchen seiner Cigarre nach— 
schaute. 
Nicht im Geringsten, versetzte der Frei⸗ 
herr, obschon ich nicht leugnen will, daß ein 
anderes Zimmer mir lieber wäre. „So bleibt's 
dabei,“ sagte der Arzt, „wir feiern unser 
kleines Fest in Nummer Siebenzehn.“ 
Der Freiherr erhob sich und verließ den 
Saal, eine halbe Stunde später trennte die 
Gesellschaft sich. 
Es schlug zehn Uhr, als der Verwalter 
seinen Heimweg antrat. Die Nacht war ziem⸗ 
lich stürmisch und finster, kein Stern lenchtete.