Full text: St. Ingberter Anzeiger

ben Sie abermals den Beweis, daß wir der⸗ 
zeit die Sache zu leicht nahmen, damals hätten 
wir den Eigenthümer dieses Knopfes sehr 
hald entdecken können, jetzt wird das ungemein 
schwer fallen. Möglicherweise kann auch ein 
anderer Gast ihn verloren haben,“ warf der 
Förster ein. 
„Das glaube ich nicht, sagte der Arzt, 
der Knopf ist werthvoll, wer ihn detragen 
hat und ihn sogar verlieren konnte, ohne 
Recherchen anzustellen, muß für derartige 
Spielereien Geld übrig gehabt daben. „Viel⸗ 
leicht dönnte eine sofortige Haussuchung in der 
„Sonne“ — 
Dazu bin ich jetzt nicht mehr berechtigt, 
anterbrach der Richter den Verwalter, auch 
hege ich die Ueberzeugung, daß, wenn der 
Mörder wirklich noch in jenem Gasthofe weilt, 
er seinen Verlust bemerkt und der wöglichen 
Entdeckung vorgebeugt haben wird. Der Bür—⸗ 
germeister zuckte die Achseln. „Nachdem wir 
damals die Karten aus der Hand gegeben 
haben, müssen wir jetzt warten, bis ein glück— 
licher Zufall uns berechtigt, sie wieder auf⸗ 
zunehmen,“ sagte er. „Dieser Knopf würde 
damals ein vortreffliches Beweismittel gewesen. 
sein, heute gilt er keinen Heller mehr.“ 
Die Gläser waren inzwischen geleert und 
die Gesellschaft trennte sich jetzt, nach dem vor⸗ 
her jeder Einzelne die Zusage gegeben hatte, 
dieser Angelegenheit eine unausgesetzte Auf⸗ 
merksamkeit zu widmen. 
Am nächsten Morgen verfügte Stern sich 
in den Gasthof zum Freiherrn. Er hielt es 
für überflüssig, sich vorher anmelden zu lassen, 
obgleich er wußte, daß der Freiherr strenge 
Beobachtung der Etiquette verlangte. Sie 
werden wissen, weshalb ich komme, sagle er, 
ohne die Ueberraschung und den auflodernden 
Zorn des Edelmannes zu beachten, die deut⸗ 
lich genug in den Zügen desselben sich spie— 
gelten. „Weshalb Sie kommen?“ erwiderte 
der Freiherr, eine Ruhe heuchelnd, die seiner 
Seele fremd war. Ich erinnere mich nicht, 
Sie eingeladen zu haben, mir die Ehre Ihres 
Besuches zu schenken.“ 
Sie haben, wie mir scheint, ein sehr 
kurzes Gedächtniß, Herr Baron! „Für Ba—⸗ 
gatellgeschichten, ja! Mich beschäftigen stets so 
piele ernste, wichtige Angelegenheiten, daß es 
n der That zu viel verlangt wäre, mir auch 
ür Kleinigkeiten ein scharfes Gedächtniß zuzu⸗ 
nuthen.“ 
Ah, Sie zählen es also zu diesen soge⸗ 
iannten Kleinigkeiten, wenn Sie die Ehre 
einer Dame beleidigen? „Hm — je nachdem, 
uhr der Freiherr achselzuckend fort. „Ich bin 
iberzeugt, wenn ich einer Dame zu nahe trat, 
o konnte von Beleidigung ihrer Ehre füglich 
nicht mehr die Rede sein.“ 
Damit wollen Sie sagen, daß Sie auch 
der Ehre der Gräfin von Strahlen nicht zu 
jahe getreten sind ? fragte der Verwalter mit 
vachsender Entrüstung. „Ah, Sie kommen 
als Ritter der Comtesse von Strahlen? Ich 
»edaure, diese Ritterschaft nicht anerkennen zu 
önnen.“ 
Ich komme Sie zu ersuchen, mir wegen 
der Ehrenkränkung der Comtesse Genugthuung 
u geben, fuhr der junge Mann erbittert auf. 
„Diese Genugthuung werde ich einem Edel⸗ 
nanne geben, Ihnen verweigere ich sie,“ 
ꝛrwiderte der Freiherr mit verletzendem Hohne. 
„Auch bezweifle ich sehr, daß unter den ob⸗ 
valtenden Verhälinissen ein Edelmann sich zum 
Kitter. der Comtesse aufwerfen würde.“ 
Mit diesen alltäglichen Phrasen werden 
Sie mir nicht entwischen, fuhr der Verwalter 
zewaltsam an sich haltend, fort. Hatten Sie 
den Muth, öffentlich in einem Wirthshause 
die fleckenlose Reinheit der Gräfin mit ihrem 
Beifer zu besudeln, so werden Sie wohl auch 
den Muth haben, für Ihre Behauptungen mit 
den Waffen einzustehen. 
Der Freiherr wanderte langsam auf und 
ib, dann und wann traf sein unstäter Blick 
das hochrothe Antlitz des jungen Mannes und 
eder dieser Blicke verrieth, daß auch in seiner 
Seele der gewaltige Kampf der Leidenschaften 
obte. Sie reden von fleckenloser Reinheit und 
nüssen doch selbst wissen, daß die Comtesse 
zon Strahlen ihre Gunst einem Menschen 
zeschenkt hat, der — — bah, was kümmert 
es mich! Gehen Sie heim und genießen Sie 
die Augenblicke, so lange die süße Geliebte 
Ihrer noch nicht überdrüssig ist.“ 
Herr Baron! „Ereifern Sie sich nicht, 
mein Bester; wenn Sie sich nicht mäßigen, 
ehe ich mich genöthigt, den Hausknecht zu 
rufen.“