Full text: St. Ingberter Anzeiger

Und das bieten Sie mir? fragte der 
Verwalter in einem Tone, der den Edelmann 
veranlaßte, einige Schritte zurückzuweichen. Sie, 
der mich verleiten wollte, Ihre Betrügereien 
dutzuheißen und in Gemeinschaft mit Ihnen 
die Comtesse zu bestehlen ? Sie, dem die Com⸗ 
lesse die Thür gezeigt hat? Sie, auf dem 
der Verdacht lastet, daß er seine Hände mit 
dem Blut — 
„Herr, wenn Sie nicht augenblicklich sich 
zum Teufel scheeren, schieße ich Sie nieder, 
wie einen tollen Hund!“ rief der Freiherr 
bebend vor Wuth. 
(Fortsetzung folgt.) 
Zwischen Erde und Ewigkeit. 
„Um fünf Uhr pünktlich,“ sagte der 
Professor. 
„Ja, wenn es nicht regnet.“ 
Der Professor war ein Fremder in un— 
serer Stadt. Er war recht eigentlich aus den 
Wolken niedergefallen und konnte deßhalb nicht 
polizeilich angemeldet werden. Unser sonst sehr 
gestrenger Buͤrgermeister, es mit dem Wahl⸗ 
spruch haltend, daß Ausnahmen die Regel 
fixiren, nahm den Professor und seinen Assi⸗— 
stenten, als beide zum größten Erstaunen der 
Bürgerschaft in einem Luftballon auf einem 
Kartoffelacker unweit des Marktplatzes landeten, 
mit ehrender Auszeichnung auf. Der Ballon 
wurde erst getrocknet — denn, auf der Reise 
derschlagen, hatten die seltenen Gäste einen 
Wolkenbruch überstehen müssen — und dann 
auf einige Tage zusammengeklappt, während 
welcher Zeit einige Reparaturen an der Ma⸗— 
schinerie vorgenommen wurden. Aus Dank— 
barkeit für die gefundene freundliche Aufnahme 
erbot sich der Professor eine kleine auserlesene 
Gesellschaft beiderlei Geschlechts auf einige 
Stunden „in den höheren Regionen“ spazieren 
zu fahren. Und es waren ihrer drei Münn⸗ 
lein und zween Fräulein, die sich zu dem 
Risiko meldeten. Unter den Ersteren war 
ich selbst. 
Es regnete nicht. Lange vor der bezeich⸗ 
neten Stunde, an einem sonnigen Sonntags 
Nachmittage, standen wir Passagiere mit Ge— 
päck, in Maniel und Seelenwärmer bestehend, 
bor unserem Schiff und beobachteten die Füllung 
des Ballons, der, wenn voll, ungefähr 45,000 
seubikfuß Gas halten mochte. Die doppelfar⸗ 
zige Seide war reichlich geöblt und mit Gut⸗ 
apercha überzogen, und das Ganze hing in 
einem Netzwerk von Hanfstricken und glich 
einer colossalen Melone in diesem Aufputz. 
dangsam schwankte das Gebäude hin und 
her und riß und zerrte zuweilen ungedul dig 
an den festhaltenden Seilen oder beschrieb 
einen eigenthümlichen Bogen als wolle es 
kopfüber sich auf die Zuschauer werfen. 
Unsere beiden Fräulein wurden etwas blaß, 
als der Professor sie einlud, zuerst in den 
Korb zu steigen, der Raum genug für fünf⸗ 
zehn Personen hatte. Wir vom starken Ge⸗ 
schlecht — sah auch einer davon so aus, als 
habe er soeben sein Testament unterschrieben 
— folgten. Unser Publikum bestand aus 
einigen hundert Zuschauern; Viele lachten — 
aber es gab auch Thränen. Einer der Reise⸗ 
ustigen, Gatte und Vater, wurde von Frau 
und Kindern an den Rockschößen festgehalten, 
und sie flehten so kläglich darum, er möge 
die Fahrt aufgeben, daß, wöäre ich an seiner 
Seele gewesen, ich mich lieber von allen Bier— 
philistern des Städtchens hätte 14 Tage lang 
derhöhnen lassen, als solchen Herzen eine ein- 
zige bange Stunde zu bereiten. Aber es ge⸗ 
jang seinem Humor, sie endlich unter Thränen 
achen zu machen. 
Alles fertig! 
„Grüßen Sie den Mann im Monde!“ 
rief es im letzten Momente aus der Schaar 
der Umstehenden. 
Nehmen Sie sich in Acht, daß Sie keinen 
Stern umsegeln!“ spottete lachend eine andere 
Slimme. 
„Bringen Sie uns ein paar Donnerkeile 
zurück!“ scholl es aus den Reihen der Schul⸗ 
naben. 
„Und wenn Sie wieder herabfallen, machen 
Sie kein Loch in der Erde!“ ergänzte ein an⸗ 
derer Spötter. 
„Whupp! Whupp!“ Das Tau war los⸗ 
gelöst, und aufwärts ging es, anfänglich in 
erschütternden Stößen. Binnen einer Minute 
tanden wir so hoch über der Stadt, daß 
uns die Häuser wie die Holzhäuser eines 
Nürnberger Baukastens erschienen. Zwei Mi— 
auten später waren wir, mit Ausnahme des