Full text: St. Ingberter Anzeiger

sein Gegner verkehrte, und es blieb ihm in 
diesem Falle kaum etwas Anderes übrig, als 
Europa zu verlassen. 
Am Nachmittage ritt der Verwalter aus, 
um den Förster zu besuchen, welchem er den 
Brief an die Comtesse zur Besorgung anver⸗ 
trauen wollte. 
Der alte Waidmann errieth augenblicklich 
das Vordaben des jungen Mannes. Er bat 
ihn, sein Leben höher zu achten, und stellte 
ihm vor, daß der Freiherr nicht werth sei, 
von einem ehrenhaften Manne vor die Klinge 
gefordert zu werden; er erinnerte ihn daran, 
daß die Comtesse schutzloz und der Gnade 
ihres erbitterten Feindes preisgegeben sei, wenn 
ihr treuester Freund ihr geraubt werde; aber 
alle seine Bitten prallten an dem Eigensinn 
des Verwalters ab. Eigensinn nannte es der 
Förster, daß der junge Mann sich unter allen 
Umständen mit einem Menschen duelliren 
wollte, der nach der Ansicht des Waidmanns 
nur Verachtung verdiente. Da er es aber 
nicht ändern konnte, so gelobte er sich, am 
nächsten Morgen in der Nähe des Duellplatzes 
sein zu wollen, um dort zu beobachten und 
nöthigenfalls dem Verwalter seine Hülfe an⸗ 
zubieten. 
In der Dämmerstunde kehrte der junge 
Mann wieder heim und die erste Nachricht, 
die er erhielt, war, daß die Comtesse bereits 
dreimal in seine Wohnung geschickt hatte, um 
sich zu erkundigen, ob er noch nicht zurückge⸗ 
lehrt sei. Es war ihm unangenehm, daß sie 
gerade jetzt ihn zu —sehen verlangte, er haite 
in Gedanken Abschied von ihr genommen, 
und fürchtete von dieser Begegnung nur neue 
Aufregungen. Aber seine Stellung gebot ihm, 
ihrem Wunsche zu willfahren; er eilte zu ihr, 
um ihre Befehle zu hören. Eleonore trat ihm 
mit allen Zeichen einer fieberhaften Aufregung 
entgegen. 
Gott sei Dank, daß Sie gekommen sind, 
sagte sie, ich stand schon im Begriff, mein 
Pferd sattels zu lassen, um Sie zu suchen. 
„Aber mein Gott, was ist den vorgefallen?“ 
fragte der junge Mann bestürzt. „Ich hoffe 
nicht, daß der Freiherr von Braß —“ 
Sie fragen noch? fuhr die Comtesse un⸗ 
geduldig fort. Haben Sie nicht den Baron 
herausgefordert? Betroffen blickte der Ver⸗ 
walter dem schönen Mädchen in's Auge. 
„Das wissen Sie bereits, gnädiges Fräulein? 
Darf ich fragen, wer es Ihnen mitge— 
cheilt hat ?“ 
Mein Kammerdiener will das Gerücht 
im Gasthofe zur Sonne vernommen haben. 
„Ah, dann hat der Freiherr es ihm mitgetheilt, 
in der Absicht, ein Stückchen Vorsehung zu 
pielen, um das Duell durch Ihre Vermittlung 
zu verhindern,“ sagte der Verwalter im Tone 
alter Verachtung. „Dieser Mensch ist ebenso 
jeige wie charakterlos, ich glaube ihn mit der 
Reitpeitsche züchtigen zu müssen, wenn ich ihn 
auf die Measur bringen will.“ 
Sagen Sie mir die Wahrheit, drängte 
Eleonore, weshalb haben Sie ihn gefordert? 
„Weil er Ihre Ehre beleidigte.“ 
Der Freiherr von Braß kann meine Ehre 
nicht beleidigen, Sie kennen ihn genugsam, 
um das wissen zu müssen. „Wohl, aber meine 
Ehre gebot mir, für den Makel, den er öffent⸗ 
'ich auf Sie zu werfen suchte, Genugthuung 
ju fordern. Es ist mir schwer gefallen, ihm 
das Blut in die Wangen zu treiben, und 
daß er noch setßzt gern auf »die Vertheidigung 
seiner gekränkten Ehre verzichten möchte, hat 
ja die Mittheilung Sres Kammerdieners 
Ihnen bewiesen.“ J 
(Fortsetzung folgt.) 
Zwischen Erde und Ewigkeit. 
Schluß.) 
Aufwärts! Aufwärts ging es wieder! Wir 
passirten verschiedene Temperaturen im Fluge 
and wurden plötzlich von einer starken Strö— 
nung nach Osten geführt und glitten aus der 
Silberwolke in eine Ewigkeit von Abendhimmel. 
Die Sonne ging unter. Man sah einen Schat⸗ 
sen nach dem andern über das Autlitz der 
alten Gäa kriechen, die dämmeriger und dunkler 
ich verhüllte, wie in ein Schlafgewand und 
zuletzt sah das Auge nur in ein schwarzes 
Loch — in einen wesenlosen Tartarus. 
Eine Stunde verging. Wir soupirten und 
plauderten. Unser warmer Athem kräuselte sich 
in kleinen Dampfwirbeln durch die klare, 
dünne und kalte Atmosphäre. Das fröhliche Ge— 
ächter stockte indessen, als der Famulus unsere 
Aufmerktsamkeit auf ein rasch heraufschwebendes