Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
um 
St. Ingberter Anzeiger. 
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ræ. 0 87. J 
Dienstag, den 25 
3— 
V. 
Ein dunkles Geheimniß.“* 
Novelle 
von Ewald August König. 
os berauscht gewesen sei, darf er nicht 
vagen. —P 
Das letzte Wort war den Lippen des 
sammerdieners kaum entflohen, als ein Ge⸗ 
räusch sich vernehmen ließ, ähnlich, wie weun 
inige leichte, kleine Steinchen mit einer Fen⸗ 
terscheibe in Berührung kommen. 
Der Baron, sagte der Kammerdiener, der 
ich rasch erhoben hatte. Er ist pünktlich, die 
Schloßuhr wird sogleich zwölf schlagen. Er 
erließ die Küche und kehrte kurz darauf in 
Begleitung des Freiherrn zurück. 
Alles in Ordnung ð fragte der Edelmann 
chlafen Beide? „Beide, Hert Baron.“ erwi⸗ 
derle der Kammerdiener. 
Gut, schirre die Pferde an und laß den 
Wagen in der Remise stehen, wir werden das 
znädige Fräulein dorthin bringen. Ist die 
Harderobe gepackt? „Alles besorgt, das gnä- 
zige Fräulein wird nichts entbehren.“ 
Und die Schmuchschatulle? „Werde ich 
Ihnen nachher übergeben.“ 
Bon, jetzt sorge, deß wir sortkommen. 
Ind Sie, fuhr der Freiherr, nachdem der 
sothtopf hinausgeeilt war, sich zu der Köchin 
vendend, fort, Sie geht hinauf und sorgt da⸗ 
uür, daß das gnädige Fräulein reisefertig ist, 
venn wir einsteigen wollen. Wo ist das Stu⸗ 
ꝛenmädchen ? „Schon vor einer Stunde zu 
Bett gegangen. Der Verwalter zwang sie, ein 
Blas Champagner zu trinken.“ 
Hm, das ist unangenehm, wir koöͤnnen 
nicht wissen, sb wir ihre Dienste noch be⸗ 
dürfen. Na, gehe sie nur, ich hoffe, wir wer⸗ 
den allein sertig. 
Die Roͤchin entfernte sich, der Freiherr 
Gortsetzung.) 
Der Kammerdiener nahm das Pistol, 
welches vor ihm auf dem Tische lag, und ging 
zinaus; gleich darauf verließ auch die Köchin 
das Küchenzimmer. Sie stieg langsam die 
Treppe hinauf und öffnete die Thür zum 
Boudoir der Comtesse, nachdem sie auf ihr 
wiederholtes Pochen keine Antwort erhalten 
hatte. Die Comtesse saß in ihrem Sessel vor 
dem noch gedeckten Tische und schlief; als die 
Köchin sich von der Festigkeit dieses Schlafs 
durch lautes Rufen und ziemlich unsanftes 
Rütteln überzeugt hatte, verließ sie beruhigt 
das Gemach, um in die Küche zurückzu-⸗ 
kehren. 
Es war nichts, ich muß mich getäuscht 
haben, sagte der Kammerdiener, der fast 
zleichzeitig mit ihr eintrat, die Thür ist fest 
zeschlossen und draußen sieht und hört man 
nichts. Der Beiwalter schläft wie ein Dachs, 
sich habe einigemal an seine Thür geklopft, 
aber nichts regte sich drinnen. „Die Comtesse 
schläft ebenfalls,“ erwiderte die Köchin, „der 
herr Varon kann kommen. 
Ich dachte soeben an unseren Kutscher, 
fuhr der Rothlopf fort, wenn er morgen heim⸗ 
lehrt und dem Verwalter das Vorgefallene 
berichtet — aber ich denke, er wird seinem 
Schlaf eine andere Ursache unterschieben, und 
seiner Herrschaft offen erllären, daß er? sinn⸗