Full text: St. Ingberter Anzeiger

wanderte in fieberhafter Ungeduld auf und ab. 
Ich weiß nicht, woher es kommt, daß gerade 
heute diese bangen Ahnungen mich verfolgen! 
murmelte er. Habe ich doch manche schwierigere 
und gefahrvollere Sache unternommen und 
glücklich zu Ende geführt, weshalb sollte mir 
dieses Unternehmen nicht gelingen? Das Feld 
ist rein, ein besonderes Hinderniß habe ich 
nicht zu befürchten, und doch will diefe Ahn— 
ung behanpten, die Entführung werde nicht 
gelingen. Bah! bin ich denn ein Mann, oder 
bin ich ein Kind, daß ich mich von Ahnnungen 
leiten lassen soll? Vorwärts! vorwärts! das 
„Zurück“ habe ich mir selbst unmöglich ge⸗ 
macht. Und wenn es wahr ist, daß ich heute 
die letzte Karte ausspiele, daß diese Karte mir 
eine glückliche Zukunft sichert, oder mich in's 
Verderben bringen wird, ist damit auch ge⸗ 
jagt, daß ich das Spiel verlieren muß? Bah, 
— sie hatten vortrefflich calculirt, der Herr 
Verwalter, das gnädige Fräulein, der Doctor 
und der weise Kreisrichter, aber meine Cal- 
rulation dreht ihnen Allen eine Nase. Sie 
glaubten, den Vogel schon in der Hand zu 
haben, und müssen nun erfahren, daß er ihnen 
bei Nacht und Nebel entwischt ist. Möchte 
dabei sein, wenn sie abermals den Vorfall in 
Nummer Siebenzehn breit treten und alle 
möglichen Gründe hervorsuchen, mit denen sie 
ihren Verdacht beweisen zu können glauben. 
Wenn diese albernen Spießbürger weniger 
zgeschwatzt und dafür gehandelt hätten — — 
aber sie durften nicht handeln, weil ihnen 
Beweise fehlten. — Und wenn nun doch meine 
Ahnung richtig wäre ? Gejetzt, mein Plan sei 
verrathen, oder ein tückijcher Zufall lasse ihn 
scheitern! gesetzt ferner, die fehlenden Beweise 
seien plötzlich gefunden und dadurch mein 
Schicksal entschieden ? was dann? Ah, dann 
giebt's für mich nur noch einen Weg, und 
meine Ehre gebietet mir, ihn zu gehen. 
Herr Baron, der Wagen siehm bereit, mel⸗ 
dete der eintretende Kammerdiener. Ich habe 
die besten Pferde angeschirrt — „Gui, gut, 
nur nicht so viele überflüssige Worte! Schaff 
jetzt das Gepäck in den Wagen und sieh' zu, 
ob die Köchin mit der Toilette der Comtesse 
ferlig ist. Sie soll die junge Dame vorsichtig 
herunter tragen, vorher aber einige Kissen in 
den Wagen legen, damit das Rüueln des 
Wagens sie nicht weckt. Da ich die Zügel 
jühre, so wirst Du Dich zur Comtesse setz n; 
halt Dein Pistol bereit, follten wir angehal⸗ 
en werden, so giebst Qu augenblicklich Feuer. 
Für den Fall, daß das gnädige Fräulein zur 
unrechten Zeit erwacht, müssen wir mit Chlo⸗ 
roform nachhelfen; ich hoffe, daß es nicht 
uöthig ist. In D. wirst Du für eine krante 
Dame ein besonderes Coupe allein lassen; 
sind wir einmal in Hamburg, werde ich sie 
schon meinen Wünschen geneigt zu machen 
wissen, denn dort besitze ich Localkenntnisse 
and gute Freunde. Ullons, die Augenblicke 
sind kostbar.“ 
Nach einer Viertelstunde meldete der Kam⸗ 
merdiener, daß die Befehle pünktlich vollzogen 
seien; nachdem der Freiherr das Schmuckkäst⸗ 
chen an sich genommen hatte, welches aus den 
Pretiosen Eleonoren's eine nahmhafte Summe 
in Werthpapieren enthielt, schwang er sich auf 
den Bock. Hier ist meine Ädresse, rief er der 
Köchin zu, die neben dem Wagen stand, Sie 
wird übermorgen mir nach Hamburg schreiben, 
wie es hier steht. *— 
Die Pferde zogen an; nach wenigen Se—⸗ 
kunden war der Wagen im Parke den Blicken 
der Köchin entschwunden. 
Als die Gensd'armen, welche der Bürger⸗ 
meister sofort nach den Mittheilungen des 
Stubenmädchens abgeschickt haltte, bdei der 
Einsiedelei anlangten, fanden sie die Thüre 
des Pavillons offen. Sie traten, der erhalte⸗ 
nen Weisung folgend, ohne Zogern ein und 
wurden hier von dem Richter empfangen, der 
ihnen mit wenigen Worten den Zweck ihres 
Kommens mittheilte. „Sie stellen sich hinter 
diesen, Sie hinter jenen Baum,“ schloß der 
Richter seine Mittheilungen, „verhalten Sie 
sich fo ruhig wie möglich and warten Sie, 
bis der Wagen dicht vor Ihnen ist, dann 
springen Sie vor und fallen auf beiden Sei— 
len den Pferden in die Zügel, um das Wei⸗ 
tere kümmern Sie sich nicht, ich werde im 
entscheidenden Augenblick die nöthigen Befehle 
ertheilen.“ 
Glauben Sie, daß es diesen Beiden ge⸗ 
lingen wird, die Pferde im schärfsten Trabe 
plötzlich zum Stehen zu bringen ? fragte der 
Arzt. „Sorgen Sie nicht,“ erwiderte einer 
der Gensd'armen, wir sind darin geübt;