Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wesens eoncentrirte sich in dem sehnenden 
Blicke. 
Zwei andere Gestalten traten vor. Kitty 
Cartright mit dem von goldbraunen Locken 
umwallten Engelstöpfchen und den bliztz nden 
schuldiojen Augen war lieblich und reizend 
genug, wer aber war die fremde Dame? Lord 
Cuthbert hatte nie im Leben solb wunderbare 
Schönheit. solch königliche Würde gesehen. 
Wie kam sie, die in ihrem ganzen Wesen den 
Stempel vornehmer Abkuuft trug, in solch 
pertraute Beziehungen zu der Familie des ver⸗ 
unglückten Secretairs 7 
Eine Equipage rollte die Straße entlang 
und hielt vor dem Hause. Vord Cuthbert be⸗ 
wegte sich nicht. Er athmete kaum, als die 
schöne Fremde lächelnd vor Mrs. Cartright 
kniete und den Gutenachtruß der frommen 
Matrone erbat. Die beiden Mädchen mmarm⸗ 
ten sich innig, und dann begleitete Kitty die 
Freundin zum Wagen. 
Jetzt weißt Du's, Kitty, ich werde Dich 
zu meiner kleinen Gesellschaft holen lassen, 
Komme nur nicht wieder mit Deinen kindijchen 
Scrupeln, ich will Dich haben, das genügt. 
Verdirb mir die Freude nicht?: 
„Wie groß und edel,“ dachte der Lanschet 
an der Gaisklattlaube, „so müßte das Wesen 
sein, das gleich einer Königin in meinem Her⸗ 
jen herrschen sollte.“ 
„Dir zu lhicb ertrage ich viel,“ entgegnete 
sitiw. „und wenn Du darauf bestehst, werde 
ich kommen, obwohl ich im Geiste das Achsel⸗ 
zucken Deiner vornehmen Freusde schon sehe. 
Man fagt, Du wählest Deinen Umgang mit 
kritischen Auge, warum willst Du ein Gänse⸗ 
dlümchen unter Camelien bringen? Mich wun⸗ 
dert's nicht, wenn die feine Gesellschaft die 
Nase rümpft.“ 
„Sei nicht ungerecht Kitiy.“ entgegnete 
Genevra Lloyd, „ich bestehe auf Deiner Ge⸗ 
genwart, weil Dein Charakter mein Ideal per— 
sonificirt. Die Wahl meines Uniganges be⸗ 
dingt sich nicht durch Gold und Stellung, son⸗ 
dern durch inneren Wertih. Ich bin siolz auf 
meines Vaters Namen, weil er rein und hoch 
in der Welt steht, kein Hauch ihn trüben 
darf. Nur der Charaktert beeinflußt meine 
Hanblungen. Ich will edle Naturen um mich 
haben und verachte alles Gemeine. Doch wir 
vollen die alte Fehde nicht hier in der Abend— 
luft fortsspinnen. Du bist mein liebes, gutes 
Fäthchen und kommst zu meiner Gesellschaft. 
Gute Nöecht, lieb Herz.“ 
„Gute Nacht.“ 
Kitty kehrie in's Haus zurück und setzte sich 
zu der Mutter Füßen. Sie schienen sich ernst 
zu besprechen, denn bald funkelten Thränen in 
den Augen des jungen Mädchens und die 
Blicke der Matrone hoben sich innig zu einem 
zon Epheu umrankten Gemälde, das Lord 
Tuthbert bisher nicht bemerkt hatte. 
Es war das Bild eines jungen, hübschen 
Mannes, des Mapnes, der so voll edler Hoff⸗ 
nungen und Vorfätze Lord Cuthbert auf den 
Tontinent begleitet hatte 
Lord Lyles bleiches Antlitz hob fich him⸗ 
nelwärts, dort ohen aber blieb Alles stumm 
ind still, keine Autwort, kein Trost erfolgte. 
Seufzend breitete er, wie segend, die Arme 
nach den erleuchteten Fenstern, glitt leise aus 
dem Garten und eilte nach dem Gasthofe zu⸗ 
rück. Ein glänzendes Silberstück lohnte die 
Mühe des erstaunten Hausknechtes, und dann 
perschwanden Roß und Reiter in der Richtung 
nach Lyle Hall. 
yv 
„Und nun, liebes Weib hen,“ begann Sir 
Tharles Worth lächelnd, „erwarte ich, daß 
Du all unseren Bekannten begreiflich machst, 
vie sehr wir uns über Lord Cuthberts Aen⸗ 
derung freuen. Frauen verstehen derlei Dinge 
am besten einzufädeln, und hat erst eine Fa⸗ 
milie Lyle Hall besucht, so haben wir gewon⸗ 
nenes Spiel.“ 
Lady Worth spielie mit dem Theelöf⸗ 
felchen und betrachtete sinnend den dampfenden 
Kessel. 
„Ich kann Dir kaum sagen, wie sehr ich 
mich üder Deine Nachrichten freue, Charles, 
obgleich solche Aenderung an's Wun derbare 
treift. War doch seiner Zeit die ganze Ge⸗ 
ellschaft, sIbst jener Theit, der viele Sünden 
dergibdt, über des jungen Mannes Benehmen 
empört, aber wenn, wie Du sagst, erst die 
eine oder andere Familie die Sinnesänderung 
anerkennt und die Vergangenheit ignoxirt, hat 
all das nichts zu sagen. Wir besuchen ihn 
natürlich sosort und nehmen Blanche und He—