Full text: St. Ingberter Anzeiger

dem Wagen genähert. Sie risfen den Freiherrn 
vom Bock herunter, während der Verwalter 
die Wagenthür öffnete, um sich des Spießge— 
sellen zu bemächtigen. Der Kammerdiener aber 
hatte vorcezogen, diesen Augenblick nicht ab⸗ 
zuwarten; fobald er dernahm, daß die hohe 
Obriskeit vor dem Wagen stand, hielt er ei 
für rathsam, sein Pistol auf's Geradewohl 
abzufeuern und daranf die Flucht zu er— 
greifen. 
Der Freiherr wehrte sich mit dem Muthe 
der Verzweiflung, aber die beiden Gensd'armen 
hatten ihn rasch überwältigt, sie legten ihm 
auf Befehl des Richters Handschellen an und 
führten ihn in den Pavillon. 
Der Richter befahl dem Mädchen, sich zu 
ihrer Herrin in den Wagen zu setzen, und 
beauftragte die Gensd'armen, den Gefangenen 
in das Gewöolbe zu bringen, nachdem er 
selbst vorher hinunter gestiegen war. 
Die Blicke Aller ruhten mit dem Ausdruck 
gespannter Erwartung auf den Zügen des 
Freiherrn, der, nicht ahnend, welche Ueber⸗ 
raschung seiner harrte, mit allen Zeichen der 
Eutrüstung und der Wuth in das Gewölbe 
trat. 
Der Eindruck, den? der plötzliche Anblick 
der vom rothen Schein der Fackeln beleuchteten 
Leiche auf den Freiherrn machte, war ein ge⸗ 
waltiger. Entsetzt, die Hände unwillkührlich 
ausstreckend, als wolle er das Gespenst von 
sich abwehren, fuhr der Edelmann zurück. 
Freiherr von Braß, Sie sind eines dop⸗ 
pelten Verbrechens angeklagt, der Ermordung 
des Baron Theodor von Reden und der ge⸗ 
waltsamen Entführung der Comlesse Eleonore 
von Strahlen, sagte der Richter mit feierli⸗ 
chem Ernst. „Und diese Anklagen stützen sich 
qzuf Beweise, die der geschicktesfte Advokat 
nicht widerlegen wird,“ fügte der Verwalter 
hinzu. 
Beweise? hoͤhnte der Freiherr, von dem 
der Bann gewichen war, sobald er sich der 
Situation bewußt ward. Wer sagt mir das? 
Wer giebt Ihnen überhaupt das Recht — 
„Ich bin der Baron Oscar vor Reden, der 
zruder Ihres Ermordeten Nebenbuhlers,“ 
juhr der junge Mann ihn unterbrechend fort, 
„die Gewißheit, daß mein Bruder nur durch 
die Hand eines Mörders gefallen fein könne, 
führte mich hierher und ich danke Gott, daß 
er mich mein Rachewerk erfüllen ließ.“ 
(Schluß folgt). 
Mannigfaltigsse. 
Als Curiosum verdient es Erwähnung, 
daß die in der Kölner Handelsbörse angehef- 
tete Sammelbüchse für den Fortbau des Do— 
mes, welche dieser Tage nach einem Zeitraume 
von acht Jahren geleert wurde, die Summe 
von zehn Silbergroschen in Scheidemünze 
enthielt. Sollte man es für möglich halten, 
daß unsere Kölner Handelsherren, von welchen 
doch gewiß in den letzten acht Jahren so 
mancher ein prositables Geschäftchen an der 
Börfe gemacht, sich bei solchen Gelegenheiten 
in ihrem stillen Vergnügtsein nicht öfter an— 
getrieben gefühlt haben, der leere Büchse zu 
gedenken? 
Wer über die Wahl seines Lebensberufes 
in Zweifel ist, mag in die Sitzungen gehen, 
wo die Pariser Juries über die Miethen 
Bergleiche zwischen den Hausbesitzern und Mie⸗ 
thern abschließen sollen. Dort kann man täg—⸗ 
lich für und gegen die einzelnen Geschäste 
plaidiren hören. „Was betreiben Sie ?“ fragte 
im 17. Arrondissement der Friedensrichter 
einen Miether. „Ich bin Parfumeur,“ ant⸗ 
wortete dieser, „sehr schlechtes Geschäft.“ Slech— 
tes Geschäft?“ fiel sofort der Hauseigen— 
thümer ein, „schlechtes Geschäft? Seine Sei— 
fen kosten ihm 2 Sous und er verkauft sie 
ür 15. Er kann Alles bezahlen!“ „Das ist 
nicht wahr!“ vertheidigte sich der aufgebrachte 
Miether, „und überdies geht der Handel 
schlecht. Wer dachte denn während der Be— 
lagerung daran, sich das Gesicht zu waschen ?“ 
Frankreich wird wieder die Leuchte der 
Welt sein!“ sagte Gambetta. 
Nur ohne Petroleum, wenn wir bitten dürfen. 
Druck und Verlag von F. X. Deme ßz in St. Ingbert.