und ich kann weohl sagen, die trübsten mit,
bei den Frauen machte, und darum wird es
Ihnen klar sein, daß ich auch die Tugenden
wie die Schwächen der Frauen kennen zu
lernen Gelegenheit hatte. Ich kenne Ihre Ca—
pricen, ihre Launen; aber, verehrte Unbekannte,
die Entbehrung, an der Sie leiden wollen,
ist mir gauz fremd. Bisher sah ich unr, daß
der größte Theil der Damenwelt an einem
Bedürfniß krankte, an der Vervollkommung
ihrer Toilette.
Doch sollte dennoch der Fall vorhanden
sein, daß es eine Dame von Geist und Bil—
dung gibt, was ich bei Ihnen, verehrte Un—
bekannte, voraussetze, die sich einsam fühlt,
weil sie nur geiftigen Verkehr sucht, so wird
sie doch zur Lecture greifen; denn ich glaube,
damit beschäftigt, wird ein geistig gebildeter
Mensch, und noch dazu eine Dame, nicht so
weit gehen, Bekanntschaften durch Zeitungs—
Inserate zu suchen, wo ungeachtet ihres Ver⸗
botes ein persönliches Kennenlernen folgen muß.
Jh wüßte nicht, welch einen geist vollen
Mann wohl die Vriefe einer unbekannten
Dame so interessiren sollten, um seine Zeit
mit der Beantwortung dieser zu verschwenden,
wenn sie ihm nicht ganz besonders durch Geist
imponirt, was höchst selten ist.
Anders aber ist es, wenn er sie sieht,
wenn ihre Person ihn für sie einnimmt; und
besitzt fie dazu noch hier und da geistvolle
Einfälle, dann kann sie sicher sein, daß er sich
ihr ganz widmet.
Haben Sie an diese Logik, verehrte Un—⸗
bekannte, gedacht, als Sie die Sitte Ihres
Geschlechts vergaßen, um Bekannischaften
auf dem Markte der Oeffentlichkeit zu suchen?
Vielleicht werden Sie mir antworten:
Mein Herr, Sie machen mich in unserm Zeit⸗
alter mit ihrer veralteten Ansicht lachen. Sie
dleiben vereinzelt mit Ihrem Vorurtheil. Bei
unserer Toleranz, bei dem Fortschritt unsres
Jahrhunderts ist es dem Weibe gleich dem
Manne gestattet, sich von beschränkten Ansich⸗
len zu emancipiren und aus ihrem engen
Kreise herauszutreten.
Darauf würde ich entgegnen:
Verehrte Unbekannte, Sie verwechsely den
Begriff von Fortschritt und Freiheit. Dies
sagt Ihnen ein Mann, der nichts tiefer haßt
als Die, welche sich dem Fortsschritt hemmend
entgegenstellen und die Bildung der Mensch—
beit beschränken wollen. Und auch das Weib
soll beides genießen, soll lernen, soll streben,
ihre Kenntnisse zu vervollkommnen, und jeder
gebildete Mann wird sch glücklich schätzen,
von einer geistig gebildete Frau verstanden zu
werden, Tritt solche Frau aber so ganz aus
ihrem Kreise heraus, um sich ihm, dem Manne
der noch immer ihr Meister bleibt, und möchte
fie glauben den Stein der Weisen entdeckt zu
haben, gleichzustellen, so verliert sie die Weib—
lichkeit, wird unnatürlich, ja, mich der nicht
ibertriebenen Aus drücke zu bedienen: sie wird
widerwärtig und ungenießbar.
Dies, verehrte Unbekannte, ist meine
Ansicht als Unwissender; zeihen Sie mich des
Unrechts, und ich wage Verzeihung erflehend,
im Geiste ihre kleine Hand zu küssen!
Jetzt kommt aber der Zweifler, der Skep⸗
tiker; wird der strafbar, so kann allein nur
Ihre Milde und Güte ihn von seiner Schuld
freisprechen.
Sehen Sie, verehrte Unbekannte, Ihre
Annonce flößt mir bei aller ihrer Feinheit
doch den Verdacht ein, Sie verfolgten einen
anderen Zweck; Sie hätten diesen eigenthüm⸗
lichen Reg nur ersonnen, um Männer zu my⸗
dificiren. — Zu diesen allerdings gehöre ich
nicht, und ich sollte meinen, um Bekannt—
chaften dieser Art anzuknüpfen, gibt es doch
seichtere Wege, so lange sie jung und schön
find und Ihnen nichts an der Achtung des
bdessern Mannes liegt, der sie nur bedauern
kann.
Jetzt habe ich Ihnen alles gesagt, und
sollte ich mich getäuscht, Sie ungerecht und
jalsch angeklagt haben, so kann ich mich nur
nit einem vertheidigen: Ich habe so wenig
Gutes in der Welt kennen gelernt, daß ich,
ohne Beweise zu haben, nicht mehr daran
glaube. Habe ich also hier ein Vergehen be—
zangen, so bin ich zu jeder Buße bereit,
welche mir, Absolution verheißt. Sollten Sie
es daher der Mühe werth halten, mich einer
Antworl zu würdigen, so bitte ich, diese mir
unter A. V. R. poste restante jukommen zu
lassen. Bis dahin
Mit aller Verehrung