Full text: St. Ingberter Anzeiger

wollen, Dich mit einem langweiligen Münz⸗ 
sammler in gelehrte Abhandlungen über rö— 
mische, griechische, japanesische Münze, und 
wie fie alle heißen mögen, vertiefen wollen? 
Daß Du diese Passion noch immer nicht auf⸗ 
geben kannst!“ 
Was verlangst Du?“ entgegnete der 
Baron, „wie könnte ich das aufgeben, was 
ich liebe? Doch sei ohne Furcht, Dich soll 
nichts belästigen,“ und sich zum Kellner wen⸗ 
dend, fuhr er fort: 
Plachen Sie Herxn Willrich meine Em— 
pfehlung; ich bedaure sehr, ihn heut nicht 
empfangen zu können, werde mir aber die 
Ehre geben, ihm in den nächsten Tagen in 
seinem Hause meine Aufwartung zu machen. 
MNicht wahr, jeßt bist Du mit mir zufrieden? 
lächelte der Baron zum Freunde, als der 
sellner das Zimmer verlassen. „Aber nun 
laß uns auch gehen; denu ich fühle wirklich, 
daß seit den Tagen wo ich hier bin, heut die 
ersie Stunde ist, in welchem ich Appetit zu 
einem guten Frühstück habe. — Also komml!“ 
Die Freunde verließen das Hotel und 
schlenderten Axm in Arm durch die Straßen 
eine Zeit lang schweigend. Der Baron in 
Gedanken, sein Freund jedes vorübergehende 
Gesicht musternd, bis auch das ihm genug 
schien. 
„Wie lange gedenksi Du hier zu bleiben?“ 
fragte er den Baron. 
„Das ist traurigerweise ganz ungewiß. 
Meine Mutter ist in Baden⸗Baden, und da 
ich mich entschieden weigerte, sie von dort 
abzuholen, weil es da von Vettern, Basen 
und allen Sorlen an Verwandschaften wim⸗ 
melt, die mir alle zuwider sind, so habe ich 
ihr das Versprechen geben müssen, sie hier zu 
exwarten. Ginge es nach mir, ich reis'te noch 
heute ab.“ 
Also Du willst den Einfluß Deines On— 
lels nicht benutzen, und in den Staatedienst 
treten ? 
„Diese Frage von Dir, Felir, befremdet 
mich. Sie uͤt meinem hofmännischen Onkel, 
meiner hochftrebenden Wutter vergzeihlich, 
doch Deiner, des Freundes, der meine Ger 
sinnungen so ganz kennt, nicht einmal wür⸗ 
zig!“ entgegnete der Baron unwillig und 
uhr fort: 
Allerdings stehe ich darum mit meinem 
Dnkel Minister in keinem guten Einvernehmen; 
ch kann mich nicht zum abnützenden Werkzeug 
iner Maschine machen lassen, deren Getriebe 
ch nur zertrümmern möchte, mich nicht beugen 
vor Denen, die das Henkeramt an der Frei⸗ 
zeit der Menschheit ausüben! Ich weiß nicht, 
Felix, aber Deine Frage erwedt ein beängsti— 
zJendes Gefühl in mir, daß auch Du von 
dem Großstaatenfieber ergriffen bist, und ich 
hälte meinen liebsten Freund verloren!“ — 
„Alexander, ich verzeihe Dir Dein Miß- 
rauen, so ungerecht es auch ist. Ich kann 
tbensowenig meine Gesinnungen ändern wie 
meiuen Koͤrper vertauschen. Du weißt, welche 
Tabalen ich in meiner Stellung schon darum 
hatte und noch immer habe. Ich glaube ganz 
bestimmt, daß nur meine freie Gesinnung 
allein der Hemmschuh ist, weshalb ich noch 
immer als Assessor ohne Gehalt herumlaufe.“ 
„Der Du auch bleiben wirst, wenn Du 
juristische Laufbahn nicht quittirst.“ 
„Aber meine Eltern haben die fire Idee, 
mich noch als Präsident zu erblicken.“ 
„Der Dau niemals werden wirst,“ fiel 
hier der Barvn heftig ein. „Dein Vater ist 
‚och sonst ein so klarer Kopf; leuchtet ihm 
das nicht ein, und was will er aus dem Sohn 
nachen mit dem Titel Präsident? Einen an⸗ 
zeschmiedeten Sklaven! — Nein, mein Freund, 
irbeite für das tägliche Brod bis in die 
Nacht hinein, aber bleibe der freie Mann, der 
das Recht hat, Thoten ins Gesicht zu lachen! 
Ich weiß, wie leidenschaftlich Du Naturforscher 
bdist, immer wünschest, wie Humboldt die Welt 
zu umsegeln: warum unterdrückst Du diese 
Keigung und erklärst Dich Deinen El⸗ 
tern nicht?“? 
.Zulezt wird es auch wohl noch so kom⸗ 
men; ich habe selbst schon ernstlich daran ge— 
dacht,“ entgegnete der Assessor, froh, dem Ge⸗ 
sproͤch eine freundlichere Wendung geben zu 
(Fortsetzung folgt.) 
Druck und Verlag pon F. X. Deme in St. Ingbert.