Full text: St. Ingberter Anzeiger

Augen, er sah jetzt, wohinaus der Instruktions⸗ 
richter wollte, er fühlte, daß auf ihm der 
Verdacht ruhte, daß man ihn für den Mör⸗ 
der hielt, und von diesem Augenblicke an wich 
sein Muth, sein ehrlicher Stolz der Verzagt⸗ 
heit, welche ihn seine späteren Antworten mit 
ängstlicher Berechnung auf die Goldwaage le—⸗ 
zen ließ und dadurch seine Lage nur noch 
berschlimmerte. 
„Ich habe am Abend einen Gang durch 
meine Felder gemacht,“ entgegnete er nach 
iner Pause, „bin aber vor zehn Uhr nach 
Hause zurückgekehrt und früh zu Bett ge⸗ 
zgangen.“ 
„Begleitele Euer Sohn Euch, oder gingt 
Ihr allein ?“ I — 
.Ich war allein: Gottfried mußte zu Hause 
das Vieh tränken.“ 
„Und dieses Messer?“ fuhr der Instruck⸗ 
tionsrichter sort, indem er es dem Ackerer 
vorhielt, „trugt Ihr es bei Euch? . 
„Wie kommen Sie zu der Frage ?“ fuhr 
Schulz zornig auf, den die Hartnäckigkeit, mit 
welcher der Richter an seinem Verdachte fest⸗ 
hielt, erbitterte. „Ich habe dieses Messer nie 
besessen, als ein Andenken gab ich es meinem 
derrn vor zwanzig Jahren, als dieser Europa 
berließ.“ 
„Jedenfalls ein sehr sonderbares Geschenkl“ 
warf der Bürgermeister ein. Ein Dolchmes⸗ 
ser! Es bleißt indeß zu untersuchen, ob das⸗ 
selbe vor zwanzig Jahren oder später gekauft 
worden ist. un 
Der Instruktisnscichter fühlte, daß er auf 
dem gewöhnlichen Wege dem Landmann nicht 
beikommen konnte. —J 
„Wenn Euer Herr nicht zurückkehrte, wenn 
er starb oder überhaupt verscholl, so waret 
Ihr verpflichtet, dem Sohne desselben ein 
Dokument einzuhändigen, welches diesen in 
den Besitz einer bedeutenden Summe setzt ?“ 
hob er nach einer Pause wieder an. „Lautet 
dieses Dokument auf den Vorzeiger 7* 
„Ich weiß es nicht, es ist versiegelt, und 
mir wird es nie in den Sinn kommen, das 
Siegel zu erbrechen.“ 
„Aber Ihr vermuthet es 7?* 
Nein!“ „Ihr müßt,“ unterbrach ihn der Richter, 
„Auch gut. Gesetzt nun, Ihr verhelft dem der jetzt den Faden gefunden zu haben glaubte, 
ungen Manne, der Euch gewissermaßen als an welchem er den Verbrecher fassen bonnte. 
Pflegevater betrachten muß, zu seinem Vermö⸗ 
gen, so erwerbt Ihr Euch dadurch ein Recht 
auf seine Dankbarkeit, nicht wahr ?* 
„Ich finde hiergegen nichts einzuwenden.“ 
„Schön; gehen wir weiter in unsern 
Kombinationen. Diese Dankvdarkeit könnte sich 
auf die Duldung einer Vormundschaft erstre— 
cken, welche Ihr nach wie vor über Euren 
Zögling ausübtet; unter dem Vorwande, er 
ei zu jung, um sein Vermögen zu verwalten, 
aähmet Ihr die Summe an Euch, und suchtet 
sie durch vortheilhafte Anlage, natürlich im 
Interesse Eures Mündels, zu vergrößern.“ 
„Auch das will ich nicht bestreiten, ob⸗ 
schon ich dem Sohne meines Herrn keine 
Vorschriften in dieser Beziehung machen 
werde.“ 
„Das Alles fiel fort, wenn der Bater 
Eures Zöglings erschien und selbst das Ver⸗— 
mögen in Empfang nahm?“ 
„Ich weiß nicht, weßhalb Sie diese Fra⸗ 
gen stellen,“ entgegnete Schulz ungeduldig. 
„Lassen Sie mich nach Hause gehen, in mei⸗ 
nem Kopf ist es so wüst und wirr, daß ich 
auf Ihre Kreuz- und Querfragen gar keine 
Antwort mehr zu finden weiß.“ 
Der Richter warf seinem Kollegen einen 
Blick des Triumphes zuu. 2 
„Wie viel sandte Euch Krämer jährlich 
zur Bestreitung der Bedürfnisse seines Sohnes?“ 
juhr er fort. 
„In den ersten Jahren dreihundert Tha⸗ 
ler,“ entgegnete der Ackerer, „später, als der 
Knabe die Schule besuchte und seine Bedürf⸗ 
aisse zunahmen, erhielt er hundert, auch hun- 
dertfünfzig Thaler mehr.“ 
,„Und Ihr führet über diese Summe 
Bücher 7 et 
„Auf Heller und Pfennig“ 
Ihr erspartet von diesem Gelde nichts? 
„Doch, zweihundert Thaler.“ F 
„Und wo ließt Ihr diese Ersparnisse ?“ 
Der Ackerer zögerte einen Augenblick. 
„Muß ich Ihnen auf diese Frage Antwort 
geben?“ versetzte er. „Ich denke, ich bin nur 
meinem Herrn gegenüber Rechenschaft schul⸗ 
dig“ —