Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
*224 
St Ingberter Anzeiger— 
98. 
Sonntag, den 18. August 
. 
Ein böses Gewissen.“ 
Novelle J — 
J von Ewald August König. 
von langem Gerede und hoffe, Sie wer—⸗ 
den mir ebenfalls eine kurze, offene Antwort 
geben.“ 
Der Rentner war von seinem Sitze auf⸗ 
zesprungen. Sprachlos vor Erstaunen stierte 
er den Kühnen an, der es gewagt hatte, um 
Mathilde zu werben, ohne dabei ein arkiges 
Wappen oder eine Million in die Wagschale 
verfen zu können. 
„Die sollen Sie haben,“ entgegnete er 
endlich, indem er sich zwang, seine Rufregung 
zu bemeistern, „eine kurze, offene Antwort soll 
Ihnen werden, so kurz und offen, wie Sie 
dielleicht noch nie eine erhalten“ haben.“ Ex 
jog die Schelle. „Wer meine Tochter heirathen 
vill, muß etwas Anderes aufweisen, als den 
Titel eines Dorfbürgermeisters. Glauben Sie. 
ch habe gespart und gesammelt, um durch 
nein sauer erworbenes Vermögen einem Bür⸗— 
germeister die Möglichkeit zu verschaffen, sich 
in den Ruhestand setzen zu können? — Be— 
zleite den Herrn hinaus;“ fuhr er, zu dem 
zeintretenden Diener sich wendend, fort, „sollte 
er später noch einmal zurückkehren, so bin ich 
nicht zu Hause... 
„Halt,“ wir sind noch nicht miteinander 
fertig,“ versezte Wetterau lakonisch, der ruhig 
in seinem Sessel sitzen blieb. „Schicken Sie 
Ihren Diener wieder fort, es koönnten Sachen 
sur Sprache kommen, über welche Sie nur 
unter vier Augen mit mir zu verbandeln 
wünschten.“ 5 
„Fassen Sie sich kurz, mein Herr,“ ent⸗ 
gegnete Krämer. Was könnten Sie mir mit⸗ 
utheilen haben ⸗—— en. 
„Nur eine Angelegenheit, 'welche in erster 
(Fortsetzung.. 43 
Was verschafft mir die Ehre Ihres Be—⸗ 
suchs ?“ nahm Krämer im kalten Geschäftstone 
das Wort, „wie ich vermuthe, muß Ihr An⸗ 
liegen ein sehr dringendes sein, da Sie meinen 
Wunsch, ungestört bleiben zu wollen, nicht 
herücksichtigen zu können glaubten. Sie wohnen 
wohl nicht hier in der Stadt?“ 
In C.,“ erwiederte der Bürgermeister, 
den Namen des Ortes scharf vetonend, „ich 
bin dort der Bürgermeister“ 
„So, so,“ fuhr der Rentner im Tone 
kalter Gleichgültigkeit fort, „doch kommen 
wir zur Sache, womit kann ich Ihnen 
dienen ?“ 
„Mein Herr, ich besitze ein einträgliches 
Amt, habe Aussicht, nach Ablauf meiner Amts- 
dauer wieder gewählt zu werden, und kann 
daneben über ein kleines Vermögen verfügen,“ 
nahm der Bürgermeister das Wort, ich schicke 
dies voraus, um nicht durch spätete Erörter⸗ 
ungen die Augenblicke zu verlieren. Ich hatte 
das Vergnügen, Ihre Tochter Mathilde im 
rergangenen Winter bei Gelegenheit eines 
Casino⸗Balles kennen zu lernen, ihr Aeußeres, 
wie ihr Charakter entsprechen ganz den Aufor⸗ 
derungen, welche ich an meine zukünftige 
Hausfrau stelle, und deßhalb erlaube ich mir, 
am ihre Hand bei Ihnen anzuhalten. Sie 
ehen, ich fasse mich durz, ich bin kein Freund