werde die Beweise sammeln, welche Schulz von
jeder Schuld irersprechen müssen und meine
Maßregeln zur Entdeckung des Mörders er⸗
greifen.“
Der Rentner trocknete die nasse Stirn
ab, auf der der Schweiß in großen Tropfen
stand. „So nehmen Sie doch Vernunft an,“
bat er, den Bürgermeister am Arme zurück⸗
haltend, „wie kann ich Ihnen die Hand meiner
Tochter zusagen, bevor ich weik, ob Mathilde
Sie liebi.“
.Das lassen Sie meine Sorge sein, un⸗
sere Charaktere harmoniren mit einander, ich
weiß, daß Ihre Tochter an meiner Seite ihr
Glück finden wird.“
„Und in der Hauptsache ist es Ihnen doch
nur um die Mitgift zu thun,“ bemerkte der
Krämer bitter. „Setzen Sie sich, wir wollen
offen mit einander reden.
Fortsetzung folgt.)
Der M
änzfammter.
Staatsbztg.)
Eine Novelle.
GGFortsetzung.)
Willrich's Frau öffnete den Brief und
flüchtig glitten ihre Augen über die ersten
Zeilen; doch dann wurde sie aufmerksam; sich
auf einen Sessel niederlassend, stützte sie den
Kopf in die Hand und las. Der Leser wird
leicht errathen, daß es der Brief des Barons
ist, den die junge Frau in ihren Händen
hält, jetzt schon zum zweiten Male lis't und
dann langsam in ihren Schooß fallen läßt.
„Dieser Arzt ist schonungslos, aber er
spricht wahr. Ob er wohl, wenn er dieses
freudlose Veben, das ich führe, kennen würde
milder geurtheilt hätte ? Soll ich ihn betrach⸗
ten, als sei er mir von der Vorsehung ge⸗
fandt? Soll ich mich an diesen Anker klam⸗
mern? — Er würde mich verstehen! —
Rathlos neigte sie ihr Haupt und blieb
über eine Biertelstunde in tiefem Sinnen;
dann aber schien sie mit sich einig zu sein.
„Nein, mein Loos ist geworfen, mein
Schicksal entschieden; ich will meinen ein⸗
samen Weg weiter allein gehen; denn ich
fühle, mit dem Schreiber dieses Briefes nahte
neinem Herzen die erste Versuchung. Aber
antworten will ich ihm, will einmal Menschen
anwertrauen, wie es hier innen tobt und
hrennt! Kann er, wie Alle, mir auch nicht
helsen, so soll er mich wenigstens bemit⸗
eiden.“
Aufgeregt ergriff sie die Feder und schriebr
„Sehr geehrter Her
„Nicht um mit Ihnen, wie erst mein
Verlangen war, einen geistigen Gedankenaus⸗
tausch anzuknüpfen, beantworte ich Ihren wer⸗
ihen Brief, der zwar schonungslos geschrieben,
aber doch ein Spiegel ist, in dem ich meinen
Irrthum erlenne. Zwar bin ich weder ein
Weib, das Abenteuer suchte, noch eine Eman⸗
ripirte, welche die Sitte zu Boden treten
wollte, als ich einen unbesonnenen Schritt
hat, der aus meinem Gefühl, ohne jeden
Nebengedanken, enisprang. —
„Ihnen allein, der hart aber ehrlich zu
mir spricht, Ihnen ganz allein will ich sagen,
was mich zu jenem Schritte trieb: die Ver⸗
zweiflung! Unbekannt mit der Welt uner⸗
fahren, hoffte ich, es könnte möglich sein, durch
zeistige Zerstreuung die Leere meines Herzens
auszufüllen, und befangen von diesem Wahn
glaubte ich, es lbönnte auch noch ein zweites
Herz so fühlen; Ihr Brief erst belehrte mich
uüͤber Wirklichkeit und Illusis.
Nach menschlicher Berechnung und nach
meinem unerschüttlichen Willen ist dies mein
ꝛinziger Brief an Sie, und nie werden wir
uns persönlich kennen lernen. Darum will ich
in dieser Stunde so offen zu Ihnen reden,
als spräche ich zu meinem Bruder, zu dem
zreusten Freunde meiner Seele. Und vielleicht
wird mein trauriges Schicksal Ihnen zur
Warnung dienen, ferner nicht gleich ein so
trenges Uriheil über eine meints Geschlechts
zu fällen, ehe Sie nicht auch von ihrer Schuld
aberzeugt sind ?
„Horen Sie eine traurige Lebensgeschichte.
Ich bin jetzt zwanzig Jahre alt; mit achtzehn
wurde ich durch den strengen Willen einer
habsüchtigen Stiefmutter, die nach dem Tode
neines Vaters volle Gewalt über mich hatte,
so weit getrieben, einem viel ältern Manne,
den ich nicht liebte, meine Hand zu reichen
an dessen Seite ich diese Stadt betrat, ohne