Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
Am 
St. Ingberter Anzeiger. 
AAV. 
Nr. 96. Dienstag, den 15. Augusi 
Ein böses Gewissen.“* 
Novelle * 
von Ewald August König. 
gend vor sich hin. „Sie glauben also, daß 
Schulz verurtheilt wird ?“ 
„Wenn wir es uns angelegen sein lassen, 
dieses Urtheil zu erwirken, — ja!“ 
„So biete ich Ihnen für ihre Bemühungen 
fünftausend Thaler,“ versetzte Krämer nach 
furzem Nachdenken, „zahlbar, sobald wir an 
inserm Ziele stehen.“ 
Ein Lächeln des Hohns umspielte die 
zippen des Bürgermeisters. Sparen Sie die 
Mühe,“ entgegnete er kalt, „nur die Hand 
Ihrer Tochter kann mich bestimmen, Ihnen 
meinen Beistand zuzusagen. Wählen Sie also— 
entweder operiren wir gemeinschaftlich oder 
Sie finden in mir einen Gegner, der gegen 
sie bedeutend im Vortheil ist.“ 
„So sei es denn,“ sagte Krämer, indem 
er dem Bürgermeifter die Hand reichte, und 
dabei einen tückischen Blick aus seinen stechen ⸗ 
den Augen auf ihn schoß; „nur Eins bedinge 
ich mir aus, daß Mathilde nicht eher etwas 
von unserer Vereinbarung erfährt, bis die 
gzanze Angelegenheit geordnet ist.“ 
.Das Ziel könnte etwas sehr lange hin⸗ 
ausgeschoben werden,“ versetzte Weiterau be⸗ 
denklich, der jenen Blick bemerkt hatte und 
eine Maßregeln danach zu treffen beschloß; 
,doch eine schriftliche Erklärung von Ihrer 
hand mit dem Zusatze, daß die Verlobung 
ängstens heute übers Jahr veröffentlicht wer⸗ 
den soll, genügt mir.“ 
Nochmals sträubte sich der Rentner, diese 
Bedingung einzugehen, aber Wetterau beharrte 
jo fest bei derselben, daß der alte Mann nach⸗ 
geben mußte. aheae 
ꝓ„und nun, da ich mich gleichsam als 
— 
(Fortsetzung.) 
Sie werden einsehen, daß mir vor Allem 
daran gelegen sein muß, das Dokument zu 
erhalten, welches mein Bruder diesem Konrad 
Schulz übergab,“ fuhr Krämer fort, als der 
Bürgermeister seinen Sitz wieder eingenommen 
hatte; „glauben Sie, mir dasselbe verschaffen 
zu können ?* 
Wetterau nickte. 
„Ferner müssen wir den ehemaligen Haus⸗ 
knecht unschädlich machen; wie ich nicht zweifle, 
ist jenes Dokument versiegelt, er wird das 
Siegel nicht gelöst haben, kennt also auch nicht 
den Inhalt des Aktes.“ 
„Er kennt ihn, aber wir werden Mittel 
finden, ihn stumm zu machen.“ 
„Und mein Neffe!“ 
„Er weiß nicht, daß er Ihr Neffe ist, 
unter fremdem Namen lebt er vielleicht in 
ihrer Nähe, erst bei seiner Großjährigkeit 
sollte Schulz ihn mit dem Namen und Schick⸗ 
sale seines Vaters vertraut machen und ihm 
das Dokument einhändigen.“ 
„Sie wissen, wo er sich aufhält ?“ 
„Nein. Schulz beobachtete über diesen 
Punkt strenge Verschwiegenheit. Es dürfte 
uns indeß nicht schmer fallen, dies zu erfah⸗ 
ren, wenn wir ernstlich an's Werk gehen.“ 
Der Rentner blickte einen Augenblick schwei⸗