Ihren Schwiegersohn hetrachten kaun, haben
vir keine Geheimnisse mehr untereinander,“
nahm der Birrgermeister das Wort, nachdem
er den Schein in seine Brieftasche gelegt hatte.
„Sagen Sie mir also aufrichtig, wußten Sie
uin den Mord?“
Der Renutner richtete sich stolz auf. „Wenn
Ihnen an meiner Freundschaft gelegen ist, so
viederholen Sie nicht diese Frage,“ entgegnete
er barsch, „die zu stellen „Sie nicht die ge⸗
ringste Berecht gung haben. Ich bin überhaupt
iber Alles noch jehr im Unklaren, daß ich
Sie ersuchen wuß, mir die Ereignisse der
verwichenen Nacht und die Aussagen meines
ehemaligen Hausknechts mitzutheilen.“
Welteran kam dem Verlangen des alten
Herrn nach und verabschie dete sich endlich mit
dem Versprechen, daß er zur Erlangung des
Douments uͤnd zur Erforschung des Neffen
die nöthigen Schritte einleiten und innerhalb
riniger Tage dem Rentner weitere Mittheil
ungen machen wolle
Er mein Schwiegersohn!“ höhnte der
Alte, als der Bürgermeister sich entfernt hatle.
Er mag des Teufels Großmutter heirathen,
— — die
Schelle. Helldau soll kommen!“ sagte er, als
ein Diener erschien. „Er muß mir das Do⸗
fument schaffen,“ fuhr er in seinem Selbstge⸗
spräch sort, „habe ich dieses, dann mag kom⸗
men, was da will, ich biete ihm die Stirne!“
Helidau war der frühere Buchhalter des
Rentaers, ein treuer, ergebener Diener, der
in seiner Anhänglichkeit selbst vor den dun⸗
kelsten Wegen seines Herrn vicht zurückdebte.
Schlau und gewandt, dabei verschwiegen und
ehrlich, war er für den Rentner ein unschätz⸗
hares Kleinod, ihm verdankte er das Gelingen
mancher Spekulation, sein Verstand mußte
aushelfen, wo der strämer's die Grenze ge⸗
funden hatte, und aus dem letzteren Grunde
hbehielt der Alte ihn in seinem Dienst, als er
das Geschäft niederlegte. Helldau's Beschäf⸗
gung bestand darin, die, Bücher zu führen,
die Borsen⸗Zeitung zu lesen und seinen Herrn
aufmerksam zu machen, wenn der Cours ir⸗
gend eines Werthpapiers Gewinn abzuwerfen
bersprach. Das Gehalt, welches er bezog, war
gering, aber Helldau, der als alter Jungge⸗
elle sich mit Wenigem begnügte, und keine
indere Leidenschaft kannte, als die, literarische
Zchätze zu sammeln, reichte mit demselben aus.
Fr hatte Mathilde auf seinen Knieen geschau-
kelt, unter seinen Augen war sie aufgewachsen
und seine Liebe zu diesem Mädchen stand der
Anhänglichkeit an seinen Herrn gleich, wenn
sie nicht diese noch übertraf. Für Mathilde
väre, er bis an's Ende der Welt gelaufen,
ihr eine Freude bexeiten zu können, achtete er
keine Mühe zu groß, und wie sie ihn in
allen Stücken um Rath fragte, so erbat er
ich auch ihren Rath bei jeder Gelegenheit.
Denn in seinem Privatleben wußte Helldau
ich nie so recht zu helfen, er war unselbst-
zändig und daneben beschränkt, trotzdem er in
zeschäftlicher Beziehung einen außerordentlichen
Stharfsian entfaltete. Der Grund dieser Un—
elostständigkeit und Schüchternheit lag weniger
n ihm selbst, als in der Umgebung des Buch⸗
halters. Helldau war verwachsen, dies trug
hm schon in der Kindheit den Groll seiner
Schulkameraden ein. Er sonderte sich von
einer Umgebung ab, weil er nicht zur Ziel⸗
scheibe ihres Witzes dienen wollte, in seinen
päteren Jahren fand man ihn zurückhaltend
ind verschlossen, und mied ihn. So, ganz
äch selbst überlassen, allein auf sich angewie-
sen, konnie es nicht befremden, daß Helldau
all' sein Lieben auf seinen Herrn und Kind
iberirug. Wie seine Umgebung ihn mied,
so wich er auch ihr aus dem Wege, um sich
ganz dem Geschäft und der Familie des
aufherrn zu widmen. Er war weder über⸗
rascht, noch befremdet, als der Rentner ihm
mittheilte, er müsse augenblicklich nach dem
Dörfchen C. aufbrechen und dort nachforschen,
ob die Frau des verhafleten Ackerers Konrad
Schulz ein Dokument besitze.
„Und wenn sie es besitzt ? fragte er.
7So wirst Du es Dir zu verschaffen
suchen,“ fuhr Krämer im Tone des Befehls
jort, „von dem Besitz desselben hängt für mich
viel, sehr viel ab.“
Dem Buchhalter fiel es nicht in den Sinn,
zu forschen, was dieses Dokument enthalte
und wie viel von dem Besiz desselben abhange,
er gehorchte schweigend, wie er gehorcht haben
würde, wenn sein Herr ihm befohlen hätte,
rinen Geschäftebrief an die königliche Bank zu
schreiben. (Forts. folgi.)