Full text: St. Ingberter Anzeiger

seine frühere Stellung zurückkehren durfte. 
Wenn's dem Esel zu wohl wird, geht er auf's 
Eis tanzen. Dein Protegé mag wohl auch zu 
dieser Sorte zählen, und in dem Falle wäre 
es Thorheit, ihm auch nur einen Heller vor⸗ 
zustrecken. Wenn er eine gute Bürgschaft stellen 
kann, bin ich nicht abgeneigt ihm gegen an— 
stäadigen Zinsfuß eine kleine Summe vorzu⸗ 
strecken, vermag er, dies aber nicht, wie ich 
dermuthe, so“ — 
„Vater, Du gehst zu weit, Du schüttest 
das Kind mit dem Bade aus,“ unterbrach 
die Tochter den Redefluß des alten Mannes. 
„Wenn jeder ehrliche Mann eine sichere Bürg⸗ 
schaft stellen müßte, um Vorschuß zu erlangen 
würden nur die Schurken reiche Leute und 
Redlichkeit und Treue gälten nichts mehr.“ 
„In meinen Augen gelten sie wenig, sehr 
wenig,“ versetzte Krämer, „ich bin durch Er⸗ 
fahrung klug geworden. Wie heißt Dein Pro—⸗ 
degé?* 
„Ernst Heller, er muß von seinem Ver— 
dienst eine alte Mutter ernähren und schlägt 
sich durch, so gut er kann.“ 
.Das heißt, er macht Schulden, läßt 
Gott einen guten Mann sein und wirft, wenn 
die Passiva ihm über den Kopf wachsen, den 
starren um,“ ergänzte der Alte; „ich kenne 
diese Art Geschäfteführung. Zudem ist der 
Name Ernst Heller eine unbekannte Größe an 
der Borse, ich glaube, die Agenten so ziemlich 
alle zu kennen, aber ein Mann dieses Namens 
ist mir bis heute noch nicht vorgestellt worden.“ 
Das Mädchen sah eine Weile schweigend 
dor sich hin. „Und wenn ich nun das Dar—⸗ 
lehen für meine Gefahr übernehme?“ fragte 
sie. „Wenn ich die Bürgschaft stelle ?“ 
Der Rentner hielt in dem Spaziergang 
durch die Stube, den er unternommen hatte, 
inne und sah seiner Tochter forschend in die 
jeelenvollen strahlenden Augen. „Du wolltest 
die Bürgschaft übernehmen?“ fragte er er—⸗ 
staunt. 
„Ja, ich,“ fuhr Mathilde fort. Du weißt, 
meine Ersparnisse betragen, Dank Deiner Frei⸗ 
gebigkeit, fünftausend Thaler, wie wäre es, 
wenn ich diese Summe dem jungen Manne an⸗ 
bertraute und dabei die Bedingung stellte, 
daß mir Anspruch auf einen Theil des Ge⸗ 
schäftsgewinns gestattet werde ? 
Fortsetzung folgt.) 
DRDer Münzsa 
mumker. 
(Staatsbztg.) 
Eine Novelle 
— — — 
(Fortsetzung.) 
Gleichzeitig hatte der Barsn den Enischluß 
gefaßt, in den nächsten Tagen Berlin zu ver— 
sassen. Jetzt war ja Felix bei der Mutter 
und konnte die ganze bekannte und unbekannte 
Gesellschaft überall hin begleiten, wo es be—⸗ 
liebte, wenn er sie ihm nur von der Heimath 
fsern hielt. So schien es ihm gleichsam auch 
Pflicht, vor der Abreise dem Münzsammler 
sein Wort zu halten. Aber so bekannt der 
Baron auch in der Residenz war, so mußte 
er Vorübergehende doch mehrmals fragen, ehe 
er nach der wenig belebten Gegend kam, in 
der Willrich wohnte. Er trat in ein hohes, 
finsteres Gebäude, dessen Giebel den ewig 
drohenden Anblick machte, als könne er in 
wenigen Minuten einstürzen. 
Der Baron stieg zwei Treppen hinauf 
und klingelte an einer Thür. Ein bescheidenes, 
yübsches Dienstmädchen öffnete und auf seine 
Frage, ob er bei Herrn Willrich sei, wies sie 
mit der Hand nach einer zweiten Thüre und 
bat ihn, dort anzuklopfen. 
Er that's und „Herein“! rief eine klang⸗ 
bolie Frauenstimme. Erstaunt sah er sich nach 
dem Mädchen wieder um, doch diese hatte sich 
schoa zurückgezogen; so blieb ihm keine Wahl 
als die Thür zu öffnen; aber wie ange—⸗ 
schmiedet blieb er auf der Schwelle stehen; 
denn vom Tische erhob sich eine Dame, in 
der er seine gesuchte Unbekannte von der 
Straße sogleich wider erkannie. 12— 
Auch ihr Erftaunen glich einer momentanen 
Versteinerung; sie blieb in der Entfernung 
stehen, und wortlaut begegneten sich ihre 
Blicke. 
„Welch ein Zufall, mein Fräulein,“ be— 
zann er endlich und zog die Thür hinfer sich 
ins Schloß. 
„In der That, welch ein Zufall,“ flüsterte