Full text: St. Ingberter Anzeiger

Leonie hatte den Bericht angehört und 
wankte nach ihrem Zimmer zurück. —— 
Sie warf sich in einen Sessel, den der 
Baron immer eingenommen, wenn er ernst 
und einsilbig ihr gegenüber gesessen, und ver— 
geblich auf ihrem Gesicht einen Schimmer der 
Wärme gesucht hatte. 
„Er antwortet nicht, aber er wird meine 
Bitte erfüllen. — Wehe mir Armen! — O 
mein Gott! jetzt sei auch Du gnädig und 
laß mich sterben. Meine VLiebe habe ich Dir 
hingegeben, jetzt nimm mir auch das Leben! 
Oder kannft Du verlangen, daß ich, ohne 
ihn, noch weiter an der Seite dieses Mannes 
fortleben soll, der kein Bedenken trug, mich 
für einen Eigennutz zu verkaufen ?!“ — 
Laut weinend bedeckte fie ihr Gesicht mit 
beiden Händen. 
Sie hörte nicht, daß die Thüre leise ge⸗ 
öffnet wurde, daß leise Tritte sich ihr näher⸗ 
len, sie zuckte erst zusammen, als eine Stimme 
dicht an ihrem Ohr flüsterte. 
„So hat dieses Herz doch Gefühl, so 
lönnen diese Augen doch weinen?“ 
Leonie stand auf; der Baron stand dicht 
vor ihr und sah ihr in die Augen. Einen Mo— 
ment begegneten sich ihre Blicke. 
Leonie!“ rief er, ihr den an ihn ge⸗ 
sandten Brief vorhaltend, „schrieben Sie diesen 
Brief ?“ 
Leonie suchte sich zu sassen, aber noch 
gelang es nicht, denn ihre Stimme war 
unfsicher, als sie mit gesenttem Haupte ent⸗ 
gegnete: 
„Ich schrieb diesen Brief — ich schrieb 
ihn an einen Mann, an dessen Edelmuth ich 
appellirte“ — 
„Und an das Herz dieses Mannes dach 
ten Sie nicht ? 
Sie gewann äußere Ruhe, sie entzog 
ihm die Hand, die er in der Bewegung er⸗ 
faßt hatte. 
„Herr Baron — lassen Sie mich nicht 
glauben, daß ich meine Bitte vergeblich an 
Sie gerichtet, — daß Sie, ihrer nicht ach⸗ 
tend, noch ferner dieses Haus betreten 
werden.“ 
Der Baron sah sie ernst und forschend an. 
Druck und Verlag von F. X. Demez in St. Ingbert. 
Ihre Bitte ist eine Forderung — ich ge— 
horche. — Aber wie man dem zum Tode Ver⸗ 
uürtheilten sein letztes Verlangen gewährt, so 
habe ich vor unsrem Scheiden zwei Fragen, 
an deren Beantwortung mir alles liegt.“ 
Fragen Sie, — ich werde antworten, 
wenn ich's kann.“ — 
„Leonie,“ rief er aus tiefster Seele, „Sie 
zwingen mich, von Ihnen zu gehen, und mein 
Körper jolgt Ihrem grausamen Gebote, aber 
meine Seele lasse ich Ihnen zuꝛück.“ 
Die junge Frau machte eine Bewegung, 
der Baron verstand diese nicht, und sie falsch 
deutend, fuhr er fort: 
„O wenden Sie Sich nur jetzt nicht von 
mir — nur jetzt suchen Sie nicht jene eisi⸗ 
gen Blicke wieder hervor, unter denen mein 
Herz erstarrt. Halten Sie diese nur so lange 
zurück, bis ich zu Ende gesprochen. — — 
Ich will Ihnen ja kein Bekenntniß machen, 
nichts von meinen Gefühlen sagen, nichts 
pon — * 
(Fortsetzung folgt.) 
Mannigfaltiges. 
(Im Paßbureau.) Ein elegant ge⸗ 
kleideter junger Mann ließ sich einen Reise— 
paß ausstellen. 
„Welches Geschäft?“ fragte der Beamte. 
Ich bin Haarlkünstler —“ 
Dräcden sie sich bestimmter aus, Friseur 
gzher Bürstenbinder ?“ 
In einem fashionablen Hotel in Was⸗ 
hington stand kürzlich in der Küche ein 
zum Baceen vorbereiteter Teig. Eine junge 
Katze versuchte davon zu naschen, versank aber 
in der süken Masse, welche sich alsbald, von 
der Hefe getrieben, hob und über ihr zusam— 
menschlug. Zur rechten Zeit war der Pudding 
fertig und vurde zum Dessert servirt; doch 
als der animalische Inhalt desselben kund 
wurde, leerten sich die Stühle der Gäste in 
überraschend schneller Weise, und draußen gab 
es Heulen und Zähneklappern.