Full text: St. Ingberter Anzeiger

zu einem andern Posten, als zu dem eines 
hommse pour tout.“ 
„Wie oft habe ich Ihnen dies sagen 
wollen!“ entgegnete die Wittwe. „Aber ich 
befürchtete, die Anhänglichkeit an Ihren 
Prinzipal —“ 
„Sie hat ihre Grenzen,“ versetzte der 
Buͤchhalter rasch. Heute Mittag, als ich gleich 
einem Schulbuben dem jungen Bauer gegen⸗ 
überstand, empfand ich tief, welchen unwür⸗ 
digen Posten ich ausfülle, ich mag mich 
nicht. länger zu solchen Kommisssonen her⸗ 
geben.“ 
Er sah eine Weile in düsterem Schweigen 
vor sich hin, offenbar kämpfte er mit einem 
Entschluß. 
„Ja, ja, heirathen wäre für mich das 
Beste,“ fuhr er endlich fort, „aber ich möchte 
eine Frau haben, die ganz zu mir paßte, im 
Alter, im Charakter, kurz, ein Weib, welches 
mich so nehmen und verstehen kann, wie ich 
mich gebe. Was meinen Sie dazu, Frau 
Heller ? 
Die Wittwe nickte, wie alle Frauen ihres 
Alters nahm sie an solchen Heirathsprojekten 
lebhaftes Interesse. 
„Und wenn ich nun eine solche Frau ge⸗ 
funden hätte, wenn ich entschlossen wäre, sie 
zu heirathen, würden Sie wohl ein gutes 
Wort für mich einlegen 77 
Frau Heller sah überrascht von ihrem 
Strickstrumpfe auf. 
„Sie haben Ihre Wahl bereits getroffen?“ 
fragte sie. „Da sehe mir einer die Jungge⸗ 
sellen an, sie sind so friedliebend und un⸗ 
schuldig nicht, wie sie sich den Anschein geben. 
Ja nun, wenn diese Frau mir bekannt ist 
und ich Grund habe, zu glauben, daß sie 
einen Mann glücklich machen wird, so siehe 
ich gern zu Ihren Diensten.“ 
„Und wenn Sie selbst die Frau wären 7?“ 
jragte Helldau rasch, dem mit dieser Frage 
eine Last vom Herzen fiel. 
—AX 
gerechten Bestürzung, sie war auf einen sol⸗ 
hen Antrag nichts weniger als vorbereitet 
und blickte, um ihre Verwirrung zu verbergen 
und Zeit zu einem Entschlusse zu gewinnen, 
so unverwandt auf ihren Strickstrumpf, als ob 
sie jene Fragen ganz überhört hätte. 
„Würden Sie meinen Antrag zurücdckwel- 
sen?“ fuhr der Buchhalter fort. „Sie wissen 
selbst, daß ich nirgends mich so heimisch fühle. 
wie bei Ihnen, daß Sie allein im Stande 
sind, auf meine Eigenheiten und Gewohnheiten 
einzugehen.“ 
„Aber was werden die Leute dazu sa— 
gen?“ entgegnete die Wittwe, welche das 
Heirathen durchaus noch nicht abgeschworen 
hatte. 
„Ktümmert's uns?“ erwiderte Helldau 
achselzuckend. „Die Leute werden vielleicht ein 
paar Wochen lang ihr Erstaunen oder auch 
ihr Mißfallen äußern und schließlich sich daran 
gewöhnen.“ 
Wollte die Wittwe ehrlich sein, so füblte 
sie sich durch den Antrag geschmeichelt, auf 
der anderen Seite bedachte sie auch, daß der 
Beistand eines Mannes in manchen Fällen 
sehr wünschenswerth und die Erfahrung und 
Beschäftskenntniß des Buchhalters für Ernst 
von großem Nutzen sein könne. 
„Aber was wird mein Sohn sagen, wenn 
er ersfährt, daß —“ 
„Ernst ist gewohnt, ia mir seinen Vater 
zu sehen,“ fiel Helldaun der Zögernden in's 
Wort, „ich bin überzeugt, er wird über un⸗ 
jern Schritt sich freuen und ihn billigen.“ 
Die Witwe legte jetzt den Strickstumpf 
hin und sah dem Brautwerber mit mildem 
Ernst in's Auge. „Noch habe ich mich nicht 
entschlossen,“ versetzte sie, „gönnen Sie mir 
einige Tage Zeit zu diesem Enischlusse. Aber 
bebvor ich zu einer ernstiichen Erwägung des⸗ 
selben übergehe, muß ich wissen, was Sie in 
Bezug auf Ihr Verhältniß Ju Krämer und 
aberhaupt für die nächste Zukunft zu thun 
gedenken.“ 
„Auch darüber bin ich bereits mit mir 
im Reinen,“ entgegnete der Buchhalter, dessen 
Züge durch die Aussicht auf das Jawort der 
Wittwe sich sichtbar erheiterten, „ich bewerbe 
mich im Stillen um einen anderen Posten, 
—R 
wird, und kündige, sobald ich einen solchen 
gefunden habe, dem Rentner.“ 
„Ich din mit diesem Vorsatz einverstan⸗ 
den,“ fuhr die Wittwe fort. „Sie werden nun 
einsehen, daß unserer Verlobung die Hochzeit 
auf dem Fuße folgen müßte, damit den Leuten