Full text: St. Ingberter Anzeiger

heit benutze ich nicht; — es wird sich zu 
meinem Plan schon eine andere Stunde 
bieten.“ 
„Alexander, was hast Du? Du siehst 
wodtenbleich aus,“ sagte der Freund besorgt 
und faßte des Barons Hand. 
Der Baron antwortete nicht sogleich: 
endlich sagte er mit einem tiefen Seufzer: 
Felix!! Warum überall nur sie? — O, 
wenn Du wüßtest, welch einen Sturm der 
Name Leonie wieder in mir heraufbeschwo⸗ 
ren hat!“ — 
„Wie, Du kennst die Dame?“ 
„Ob ich sie kenne? — Doß ich sie nie 
gekannt hätte! — Doch, Felirx, ich habe mich 
lange genug beherrscht; zu heilen ist der tiefe 
Riß in meiner Brust nicht mehr; aber ich 
wiu Dir alles sagen. — Du wirst mein 
Geheimniß und ihren Namen ehreu? — Ich 
weiß, ich weiß,“ fuhr der Barn heftiger 
fort, als der Freund dieses betheuern wollte. 
Komm, laß uns dicht zusammen sitzen; 
meine Worte sind nur für Dein Ohr und 
nicht für die Wände dieses Zimmers be— 
stimmt.“ 
Und er erzählte dem Freunde alles, selbst 
von dem ersten Brief, den Leonie an ihn als 
Uuvbekannlen geschrieben. 
Lange, als er schon zu Ende gesprochen, 
herrschte Stille im Zimmer. Der Assessor 
wußte gar nichl, daß ihm die Cigarre ausge⸗ 
gangen war und er darum doch immer weitet 
rauchte; endlich sagte er·“· 
Beantworte mir eine Frage, Alexander: 
zu welchem Zweck wolltest Du ihr Herz er⸗ 
forschen ?“ 
Ich verstehe Deine Frage, und frei und 
offen kann ich sie Dir beantworten. Ich 
wollte ihr Herz gewinnen und dann sie 
mein für immer nennen, aber nicht als Ge⸗ 
liebte. —“ 
Wie konnte das geschehen, da sie ein⸗ 
mal die Frau eines Andern ist ?“ 
„Ihre Freiheit von diesem Andern zu er⸗ 
kaufen, wäre leicht gewesen. Aber sie hat kein 
herz! Sie will nicht — sein!“ ⸗ 
Wieder rauchte der Assessor seine kalte 
Cigarre weiter, dann entgegnete er: 
Ich weiß, wenn Du mir eine solche Ber⸗ 
sicherung gibst, daß Du ein solches Vorhaben 
überlegt hast, und ich traue Dir Festigkeit zu, 
daß Du einen solchen Entschluß mit Conse— 
quenz durchzuführen im Stande bist. Und 
darum sage ich Dir: nimm alle Pläne wieder 
auf und denke nicht in Bitterket, sondern in 
Hoffnung und Liebe an sie. Ihr Herz ist nicht 
von Stein!“ 
Wecke nicht neue Bilder! Ich habe ihr 
Lebewohl gesagt und werde mein Wort 
halten.“ — 
„Das heißt mit andern Worten: Du 
wendest Deinem Glücke die Versen zu und 
fliehst, um ganzer Menschenfeind zu werden. 
Nein, so weit lass' ich's nicht keommen! Ich 
will Dein Vorhaben, wie und wodurch Du 
der Dame Deines Herzens die Freiheit von 
ihrem Eisbären erkaufen willst, nicht erfor⸗ 
schen. Ich weiß nur, daß Du sie liebst und 
sie Dich lieben muß! Blicke nicht so ernst 
drein! — Ich werde durch meine Ideen ver⸗ 
suchen, Euch armen Leutchen zu helfen, aber 
dazu gehört Maud. — Erprobe Du mir nur 
erst das Herz meines Mädchens: dann sollst 
Du erfahren, was Du ihr später noch wirst 
zu verdanken haben.“ 
Jetzt verstehe ich Dich nicht·— 
Nun, das ist für heut und noch für 
ein paar andere Tage auch noch nicht nöthig. 
Zeit soll die Garbe reifen.“ 
„Von etwas anderem — Ach, da fährt 
ein Wagen heran, es sind unsre Damen. Ich 
will ihnen beim Aussteigen doch als treuer 
Ritter dienen!“ 
Und fort stürmte der lustige Assessor und 
kam zu rechter Zeit, um das schöne Mädchen 
aus dem Wagen zu heben, dabei gleichzeitig 
einen von der Baronin unbemerkten innigen 
Blick mit ihr auszutauschen. 
Und wieder waren nach dieser Unterredung 
zwei Tage vergangen, in denen, zur Freude 
der Baronin und des Engländers, Baron 
Alexander eine auffallende Aufmerksamkeit für 
Maud gezeigt hatte. 
In Aller Gegenwart machte er ihr den 
Hof uud schien gax nicht zu bemerken, wie 
Maud dadurch beklommen war und immer 
einsylbiger wurde, oft ängstlich ihre Blicke 
quf den Assefsor richtete, der sich von dem 
Moment, wo der Freund sich ihr genähert— 
in gemessener Entsernung von Beiden hieli,