Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Aterhaltungsblatte 
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St Ingberter Auzeig er 
Ar. LI. 
Dienstag, den 24. Januar 
—— 
Cord Iyle. 
Nach dem · amerikanischen Originale des 
Charlhes T. Mannerd. 
Frei bearbeitet von Lina Freifrau v. Berlepsch. 
(Ombs.. J 
(Fortsetzung. 
Nun erft öffnete Mr. Lloyd die Thüre. 
„Bist Du zu Hause, Geuevra?“ fragte 
er, als die schöne Tochter sich zärtlich an ihn 
schmiegte. „Ich meinte, Du seiest längst aus 
der Stadt“· 
„Ich war es auch mußte jedoch, da Ma⸗ 
dame de Vere meine Bestellungen mißverstan⸗ 
den, wegen meiner Toilet?e zum Pidnick der 
Lady Woodlawn zurückkehregng “·“· 
Mein Liebling ist eben schwer zu befrie⸗ 
digen,“ lächelte der Vater. 
.Und wer hat es mich gelehrt ?“ fragte 
ste scherzend, „wer zeigte mir durch Wort 
und Beispiel das Gemeire verachten und in 
jeder Hinsicht nach dem Höchsten streben ?9 
Er preßte die bleichen Lippen auf die 
dlänzenden Haare. damit Geuebra den Ausdruck 
von Schmerz und Demüthigung.— der bebend 
uber seine Züge zog, nicht sehe. 
OD nein, Väterchen, ich schäme mich meiner 
Ideale nicht, so lange ich Dein hehres Bei⸗ 
spiel vor mir habe. Mag die ganze Welt 
mich stolz und absurd neanen, ich werde doch 
glauben, daß Alles edel sein könnte und groß. 
denn ich habe den Beweik ja stets vor Augen, 
Deines Namens unbeslectte Reinheit ist mein 
reichstes Erbe. ·“ 
Muß auch ich Dich albern nennen, mein 
Kind T weißt Du nicht, daß wir schwacht 
Sierbliche sind, nur sicher so lange keine 
Versuchung droht ? Dein Los ist mir süß und 
theuer, aber ich darf es nicht annehmen. Und 
wie, Genevra, wenn Dein Vater seinen guten 
Namen, seinen unbefleckten Ruf verlöre 
Sie wars lachend das Haupt zurüukfß. 
„Als ob das nicht gerade eine meiner 
—XED 
Ein Schauder durchbebte die starke Gestalt 
des Mannes. 
.Du weichst meiner Ftage aus. Wenn 
solche Verhältnisse nun werklich eintreten ?“ 
.O,“ entgegaete Genevra tief aufseufzend. 
als ob der bloße Gedanke sie entsetze, „da 
würde es Nacht werden um mich, da würde 
mir das Herz brechen.“ 
Wieder durcbschauerte es ihn, aber er barg 
es unter herzlicher Umarmung und fragte einen 
Moment spärter mit scheinbar heiterem Tone: 
.Und was ist's mit dem Kleide ? 
Sie lachte wieder. Ein kindlichfrohes, sil⸗ 
bernes Lochen, daß wohl Niemand die stolze 
sbnigin glänzender Feste dessen fähig gehal- 
ten, tanzte mit phantastischer Geberde in dem 
schweren, goldfarbenen Seideulleide vor ihm 
und kehrte dann fröhlich in seine Arme 
zurückrk. 
, Wart, Du leichtsinniges Votzelchen, was 
soll aus dem Puhe werden. wenn Dunihn 
schon jetzt verdirbst.“ schalt der Vater lächelud. 
Ja wahrhaftig, und drüben wartet Ma⸗ 
dame de Vere. Ich sagte ihr, ich wolle Dir den 
Anzug zeigen, denn sie ärgerte sich, als ich 
die falschen glänzenden Verzierungen, mit 
welchen das Kleid geschürzt war, uicht habun 
wosite. Als ich bemerkte, daß ich nie Flliter