Unterhaltungsblatt
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St. Ingberter Anzeiger.
— — Dienstag, den 12. September 77577.
Ein böses Gewissen.*
Novelle
oon Ewald August König.
Fortsetzung.)
Ernst war erstaunt, als er alle diese De⸗
tails erfuhr, und selbst der Advokat konnte
eine gewisse Ueberraschung nicht verbergen.
„Ich habe die Alten eingesehen,“ nahm er
das Wort, „es geschah auf den Wunsch mei⸗
nes Freundes, und ich muß gestehen, der
Anklageakt, wie er jetzt vorliegt, läßt eine Ver⸗
urtheilung Ihres Vaters fast mit Bestimmt⸗
heit erwarten. Wären Sie früher zu mir
gekommen, hätte ich alle diese Details gewußt,
wir würden dadurch viele Zeit gewonnen
jaben; im Herbst werden die Assisen er⸗
oͤffnet und bis dahin sind kaum noch zwei
Monate.“
„Aber die Zeugnisse des Pfarrers und
Bürgermeisters!“ warf Gottfried ein.
„Sie mildern die Anklage nicht,“ fuhr
der Advokat fort, „sie sind überhaupt von
keiner Bedeutung, und zudem ist das Zeug⸗
niß des Bürgermeisters eher eine Waffe gegen
den Angeklagten, als für ihn.“
„So bleibt uns nichts zu thun?“ fragte
Ernst.
„Doch, wir müssen den Mörder zu ent⸗
decken suchen, gelingt uns dies, so haben wir
jewonnen, gelingt es uns nicht, dann“ — —
Ein Achselzucken schloß den Satz, die beiden
— Leute verstanden die Bedeutung des⸗
selben.
Da plötzlich fuhr Gottfried von seinem
Stuhle auf, er knöpfte die Weste offen und
riß von der Hose cinen kleinen Knopf ab,
den er dem Advokaten übergab. „Vielleicht
ührt uns dies auf die Spur,“ sagte er.
„Als mein Vater in jener Nacht den Bür—
gjermeister ins Dorf zurück begleitete, befahl
er mir, am Orte des Verbrechens noch ein—
nal genau nachzuforschen, ob ich nicht irgend
ein Merkmal entdecke, welches zur Ergreifung
zes Mörders führen könnte. Ich fand nichts,
'o eifrig ich auch suchen mochte. Schon wollte
ch den Heimweg antreten, als mir aus einem
Zztrauche dieser Knopf entgegenblitzte. An der
Stelle, wo er hing, waren die Zweige ver⸗
jogen und geknickt, just als ob Jemand mit
einem Kleide daran hangen geblieben sei
ind sich geweltsam losgerissen habe.“
Der Advolat ketrachtete den Knopf auf⸗
nerksam. Er war klein, von Größe eines
Westenknopfes und trug än gelber Einfassung
inen grünen Glasstein. „Wie weit war der
Strauch von dem Orte, an welchem die Leiche
ag, entfernt ?“
„Ungefähr zwanzig Schritte. Ich nahm
den Knopf mit und nähte ihn, um ihn n'icht
ju verlieren, an meine Hose fest mit dem
Vorsatz, ihn dem Untersuchungsrichter zu
zringen. Am andern Tage aber stiegen Zwei⸗
'el in mir auf, ich konnte ja nicht min Be—
timmtheit behaupten, daß der Knopf wirklich
Figenthum des Mörders sei und vielleicht
den Verdacht auf einen Unschuldigen laden.
Als diese Bedenken mir schwanden und
cch es nun doch für Pflicht achtete, von
meinem Funde Anzeige zu machen, wurde