Full text: St. Ingberter Anzeiger

ch durch meine Verhaftung hievon abge⸗ 
halten.“ 
Der Advolat legte den Knopf auf seinen 
Sahreibtisch. „Ich werde Ihren Vater morgen 
wbesrichen,“ versetzte er, „es ist nicht nöthig, 
daß Sie selbst zu ihm gehen, Ernst mag mich 
begleiten. ⸗· Was den Plan der beiden 
Herren anbelangt, so seien sie unbesorgt, ist 
Ihr Vater unschuldig, so wird er um keinen 
BPreis seinen Kerler verlassen. Was gedenken 
Sie in Bezug auf das Dokument zu thun ?“ 
Noch weiß ich es nicht,“ entgegnete 
Gottfried, „auf gerichtlichem Wege ihn zur 
Hexrausgabe desselben zwingen —“ 
Wird Ihnen nicht gelingen,“ unterbrach 
Schacht ihn,“ er läugnet einfach, daß er es 
in Ihrem Rocke gefunden habe, und Sie 
können ihm das Gegentheil nicht beweisen.“ 
„So bhleibt mir nur der Weg der Gewalt 
offen,“ fuhr der junge Mann fort. 
„Auch den würde ich Ihnen nicht an— 
rathen. Im Grunde kann Ihnen am Besitz 
des Doekuments nicht so viel gelegen sein, 
daß Sie dafür Ehre und Freiheit in die 
Schanze schlagen follten, wissen Sie den Na⸗ 
men des Notars, welcher die Urkunde ausge⸗ 
—VVO— 
kräftige Kopie und lassen das Original amor⸗ 
tisiren. Auch hierüber wird Ihr Vater mir 
Auskunft geben können, warten Sie also ge⸗ 
duldig ab, bis ich mit ihm Ruücksprache ge⸗ 
nommen habe.“ 
Die Konsultation war beendet, der Ad⸗ 
volat erhob sich und Gottfried verließ jetzl 
das Haus, nachdem er dem Freunde, welcher, 
der Bitte Schachts nachgebend, noch ein Stünd⸗ 
chen zu bleiben beschloß, mit warmer Herz⸗ 
lichkeit gedankt hatte. Trotz seiner Müdigkeit 
und Abspannung eilte er mit raschen Schrit⸗ 
ten der Heimath zu, der Gedanke an die 
Mutter, welche vielleicht schwer erkrankt aus 
dem Schmerzenslager lag und auf das Ge— 
räusch horchte, ob der Sohn denn noch 
immer nicht in ihre Arme eile, verlieh ihm 
Flügel. J 
Er mochte etwa die Hälfte des Weges 
zurüchgelegt haben, als er plötzlich auf einen 
Mann stieß, der, wie Gottfried schon aus 
der Ferne zu bemerken glaubte, einen ziem · 
lichen Rausch hatte. Der unsichere, schwan⸗ 
kende Gang und die heftigen Gestikulationen 
dieses Menschen, der bald stehen blieb, um 
in fich hinein zu reden, bald weiter schwan⸗ 
kend über einen Stein stolperte oder gegen 
eine Pappel rannte, würden in jedem andern 
Augenblick die Heiterkeit Gottfrieds erregt 
haben, heute aber erfüllte es ihn mit Abscheu. 
Er wollte eilig vorbeischreiten, als der Be— 
rauschte ihn anrief. 
„He, he, guter Freund,“ rief der letztere, 
dessen Aeußeres genau dem eines Vagabunden 
glich, „seid doch so gut und zeigt mir den 
nächsten Weg nach C., der Bürgermeister 
wird's Euch Dank wissen. — So bleibt doch 
stehen, oder hol' mich der Henker, ich breune 
Euch meinen Revbolver auf den Pelz, daß 
Ihr“ — 
Gottfricd wandte sich um. „Wenn Ihr 
nach C. wollt, so folgt mir,“ entgegnete er, 
„aber seht Euch vor, daß Ihr gleichen Schritt 
mit mir haltet, ich habe Eile.“ — 
„So lauft in des Kukuks Namen,“ fuhr 
der Vagabund fort, indem er seine Schritte 
beschleunigte, „ich komme früh genng hin, um 
das Geschäft abzumachen. — Der Kerl muß 
das Papier herausgeben, — ich sage, er muß 
es hergeben, oder — — so seht mich doch 
nicht so stier an, ich hab's ja nicht gethan. — 
Was kümmert's Euch? Wenn ich hundert 
Louisd'or verdienen kann, wäre ich ein Esel, 
wollte ich sie zurückweisen. — Hageldonner- 
wetter, geht mir mit Euren verdammten 
Augen aus dem Wege; — — Wenn Ihr 
etwas wollt, geht in die Stadt, der reiche 
Schuft war der Anstifter.“ 
Enisetzt blieb Gottfried stehen, die innere 
Angst, welche in diesen Worten sich ausdrückte, 
ließ ihn mit dem, der sie sprach, Milleid 
empfinden, er vermuthete, daß jener Mensch 
eine schwere Schuldenlast auf dem Gewissen 
haben müsse. 
„Was wollk Ihr?“ fragte der Vagabund, 
als er näher tretend den jungen Mann be— 
merkte. „Habt Ihr Lust, mil mir anzubin⸗ 
den? Ich bin ein freier Amerikaner, das 
merlt Euch, die Polizei kann mir nichts an— 
haben! Geht Eurer Wege und laßt mich 
ungeschoren.“ 
Fortsetzung folgt.) 
ü— —