Full text: St. Ingberter Anzeiger

Wollte der Tod sie vergessen lassen, daß sie 
ichon seine Beute sei? 
Und endlich vernahm ihr Ohr bekannte 
Tritte; sie sprang wie ein Reh von ihrem 
Sessel empor. Die Thür ging auf. 
„Leonie!“ rief eine liebe Stimme, und 
zwei Arme stredcktten sich ihr entgegen. Da 
schwanden ihre Todesgedanken und Beherr⸗ 
schung; der Damm der Liebe durchbrach alles. 
Mit dem stammelden Ruf: „Alexander!“ warf 
sie sich an seine Brust. — — 
Er bededte ihre Stirn, ihren Mund mit 
heißen Küssen; sie wehrte ihm nicht. Er hob 
ihr Haupt zu sich empor und sah ihr in 
die Augen; sie lächelte ihm in voller Se⸗ 
ligkeit zu. 
„Leonie, liebst Du mich? —,“ 
„Heiß und innig, wie Dich nie eine an⸗ 
dere lieben kann!“ 
.Und Du, stolzes Herz, konntest mir so 
biel Schmerz bereiten. Wolltest lieber sterben, 
als mit Dem glücklich werden, dem Deine 
Seele gehört!?“ — 
Da schwand das selige Lächeln aus ihrem 
Gesicht. 
Alexander, Du weißt nicht —“ 
„Ich weiß alles, Geliebte. Du hältst Dich 
für eine Sterbende, — aber Du bist keine, 
Du wirst leben!“ — 
Sie erschrack heftig, sie wollte sich fanft 
von ihm losmachen; aber er hielt sie desto 
fester. 
Leenie!“ sagte er vorwurfsvoll. „Könn— 
test Du Dich jetzt noch von mir losreißen? 
hast Du jetzt noch das Recht dazu ?“ 
Unsicher senkte sie ihr Auge vor ihm. 
„Du weis't nicht, was der Arzt mir 
sagte.“ 
Was er auch mir gesagt, soll ich's wie— 
derholen? Wenn nichts dazwischen tritt, Ihre 
Seele nicht gewedt, nicht von Wonne erfüllt 
wird, — dann ist es Zeit, daß Sie Ihre 
Rechnung auf Erden abschließen. — Sieh, 
ich weiß seine Worte sehr genau. Und kannst 
Du jetzt noch sagen, daß Deine Seele keine 
Wonne fühlt! Deuten diese Augen, dieser 
bebende Körper, der sich an mich schmiegt, 
nicht an, daß Du glücklich in diesem Augen⸗ 
hlick bist? — Geliebte! fuhr er innig fort, 
saß jetzt den Arzt und die Todesgedanken; 
wo die Liebe ist, da ist Leben. Einst schriebst 
Du an den Mann, der Dich jetzt in seinen 
Armen hält: „„Lernen Sie einst Die kennen, 
deren Herz Ihnen entgegenschlägt, so halten 
Sie sie fest in Ihren Armen! Suchen Sie 
Ihres Weibes Glück, und Sie selbst werden 
es finden. ..““ Und, so meine Leonie, will 
ich Dich halten, Du alliein wirst mir Ersatz 
ür alle Verluste sein. Dein Besitz ...“ 
„Halt ein! Sprich nicht weiter,“ rief 
deonie und richtete sich zitternd ans seinen 
Armen auf. „Bin ich wirklich zum Leben 
verdammt und muß so diese Augenblicke be— 
jahlen, so male Du geliebter, grausamer 
Mann, mir nicht ein Paradies aus, in das 
ich nicht eintreten darf. Oder hast Du ver⸗ 
gessen, daß ich nach dem Gesetze das Weib 
zines andern bin? — Ach, für mich gibt es 
zur Erlösung keinen andern Weg als 
den Tod!“ 
„Auch jetzt könntest Du noch sterben 
wollen ? 
Sie stand wortlos, mit gesenkten Blicken 
vor ihm, er nahm ihre Hand und führte sie 
zum Sopha, und indem er sich neben sie 
setzte und ihren Kopf an seine Brust zog, 
agte er innig: 
3Ich könnte Dich bitten, mir das Ver— 
sprechen zu geben, diesen verzweifelten Gedan⸗ 
danken nie wieder aufkommen zu lassen; ich 
thu' es nicht; denn Geliebte, ich weiß: von 
dem Augenblick, wo Du die Süßigkeit erwi⸗ 
derter Liebe in meinen Armen empfandest, 
hast Du den Muth und das Recht verloren, 
mir Dein Leben zu rauben. Aber eine ernstere 
Frage richte ich an Dich: Willst Du für 
Deine Liebe kämpfen ?“ 
Mit der ganzen Kraft meines schwachen 
Daseins!“ 
(Fortsetzung folgt.) 
— t— 
Druck und Verlag von F. X. Demez in St. Ingbert.