Anterhaltungsblatt
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St. Ingberter Anzeiger.
Nr. 109. Donnerstag, den 14. September
Ein böses Gewissen.*
reist fie mit. Paßt auf, ich hab's gesagt, und
drüben — na, drüben wird i: sich schon
darin finden! Hurrah, das freie Amerika!“
Gotifried ließ den Betrunkenen schwatzen,
ein furchtbarer Verdacht war in seiner Seele
erwucht. In welchen Beziehungen stand dieser
Mensch zu Krämer? Welcher Art konnte die
Verpflichtung sein, welche den Rentner zum
Schuldner dieses Subjekts machte? Und über—⸗
haupt, welchen Sinn hatten die Worte des
Vagabunden? Der junge Mann mühte sich
pergebens ab, einen klaren Blick in das Halb⸗
dunkel zu werfen, aus welchem die Gestalt
des Ermordeten vor seinem geistigen Auge
auftauchte. Ein Gedanke drängte den andern,
er vermochte nicht, in dieses Chaos Klarheit
und Ruhe zu bringen. — Das Papier, wel⸗
hes Wetteran herausrücken sollte, war es
nicht das Dokuwent, für welches Krämer dem
Bürgermeister die Haud seiner Tochter zuge—
jagt hatte? Und wenn es dies war, durfte
er ruhig zusehen, daß dieser Vagabund es an
ich riß, um es am nächsten Tage in die
dände des Rentners zu legen? Gottfried
vwußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Den
Bürgermeister warnen? Dadurch war nichts
gewonnen. Den Vagabunden ruhig sein Voi—
saben ausführen lassen und dann jenem das
Dokument entreißen? — Er hielt an diesem
Bedanken fest. Es konnte ihm nicht schwer
'allen, den Betrunkenen zu überwältigen, und
ich des Papiers zu bepuächtigen. Auch sah
er ein, daß er sich ee beider, des
Akts, wie des Vagabunden bemächtigen mußte,
des letzteren, weil sein Verdacht, daß jeuer
der Mörder Krämers sei, eher wuchs, denn
Novelle
von Ewald August König.
GFortsetzung.)
„Ihr müßt schwer gesündigt haben,“ ver—
setzte Gottfried ernst, „die Angst Fures bösen
Gewissens drückt sich in jedem Worte aus,
welches Ihr sprecht.“
„Halt Dein Mault!“ fuhr der Vagabund
rasch auf. „Was kümmert Dich das Gewäsch
anderer Leute? Kehre vor Deiner eigenen
Thür. — Ich bin an der ganzen Geschichte
so unschuldig wie ein neugeborenes Kind,“
fuhr er zutraulich fort, indem er seine Hand
auf den Arm des jungen Mannes legte und
gleichen Schritt mit ihm zu halten versuchte,
„der Rentner in der Stadt, der reiche Hal⸗
lunke, hat mir den Auftrag gegeben.“
„Welcher Rentner?“ forschte Gottfried.
.Krämer ?“
„Na, ja, der Krämer, wer anders?
Aber der Hund soll das Papier herausgeben,
und wenn ich das Papier habe, dann soll
auch der Krämer herausrücken. mit den hun⸗
dert Louisd'ors. Inzwischen habe ich ihm
etwas eingeheizt, daß ihn heute Nacht nicht
friert. Wortbrüchig ist der Kerl geworden —
und deßhalb — — na, ich will lieber schwei⸗
gen. — Ueberhaupt, wer seid Ihr? Was
wollt Ihr von mir? — — He, sagt ein⸗
mal, kennt Ihr die Tochter Kraäͤmer's ? Ein
hübsches Ding, wie? Na, gebt Acht, wenn
ich einmal wieder nach Amerika reise, dann