schob? — Fast unwillkührlich erstieg Gottfried
die Treppe, welche zu der Wohnung des
Bürgermeisters führte. An der Thür des
Schlafzimmers angelangt, erstaunte er, auch
diese halb geöffnet zu finden, er trat ein und
fuhr gleich darauf mit einem Schrei des Ent⸗
setzens zurück. Sein erster Blick war auf das
vleiche, entstellte Antlitz Wetterau's gefallen;
die gebrochenen Augen, welche vor den blut⸗
unterlaufenen Höhlen standen, die blauen
Flecken an dem entblößten Halse und der
Ausdruck unversöhnlichen Hasses, der im Tode
noch seinem Feinde flucht, ließen Gottfried
nicht bezweifeln, daß Wetterau ermordet wor⸗
den war. Eine Weile blieb er entsetzt stehen,
er hätte fliehen mögen, soweit seine Füße ihn
nur zu tagen vermochteu, und doch war er
auf die Stelle gebannt, auf der er stand,
eine geheimnißvolle Macht hielt seinen Blick
auf das Antlitz gefesselt, welches grell mit
dem der Todten im letzten Hause des Dorfes
tontrastirte.
In einem langen, gellenden Schrei wich
endlich die Beklemmung, welche gleich einem
Alp auf der Brust des jungen Mannes lag,
mit ihr auch jene Macht, in rasender Eile
stürmte Goltfried die Treppe hinunter. Erst
als er das Haus im Rücken hatte, athmete er
frei auf. Er wußte, daß das ganze Dorf das
feindliche Verhältniß, in welchem er zu dem
Bürgermeister gestanden hatte, kannte, und
schloß hieraus richtig, daß der erste Verdacht
auf ihn fallen werde, um so mehr, als er
gerade vor dieser Nacht aus dem Gefängnisse
zurückgekehrt wa. Deshalb hielt er es für
besser, keine Anzeige von seiner Entdeckung
zu machen, sondern das Dorf zu verlassen
und dem Advokaten in der Stadt unverzüg⸗
lich den ganzen Vorfall mitzutheilen. Er ver⸗
traute fest darauf, daß dieser Mittel und
Wege finden werde, sich des Vagabunden zu
bemächtigen. (Forts. folgt.)
Der Münzsammler.
(Staatsbztg..
Eine Novelle.
J (Fortsetzung.)
„Und wird meine Leonie an meine Treue
glauben, wenn Stürme über sie kommen, wo
ich nicht an ihrer Seite stehen darf, wo ich
fern bin und warte, bis die dunklen Wolken
sich verlieren und Dein Glauben an mich unser
Glück rettet ?
„Ich verstehe Dich nicht ganz,“ entgegnete
sie, „aber eins weiß ich, den Glauben an
Dich und Deine Liebe kann mir nichts in der
Welt entreißen. Doch Sonnenschein erblicke
ich nicht!“
„Muth, Geliebte, vertraue mir und dem
Stern unsrer Liebe! Du tragst da an Dei⸗
nem Halse eine goldene Medaille. Diese wird
unser Glück gründen! Könntest Du Dich von
diesem Kleinod trennen?“ Leonie erbebte
und ihre Stimme zitterte, als sie leise ent⸗
gegnete:
„Wenn Du sie forderst, trenne ich mich
davon, — wenn — wenn auch nicht ohne
Rampf. — Diese Medaille ift, ich kann's
naicht anders nennen, eine „Relique“ in un—
—
schon auf Urenkel übertragen. Welche Be—⸗
deutinng sich daran knüpft, weiß ich nicht;
aber sterbend nahm sie meine Mutter von
ihrem Halse und hing sie mir um mit den
warnenden Worten, sie nur dann von mir
zu geben, wenn ich, wie sie, auf dem Todt⸗
bette liege.“
„Und doch willst Du sie mir geben ?“
„Wenn Du sie forderst, ja! Meine Mut⸗
ter mag mir verzeihen, ich kann Dir nichts
verweigern!“
„Meine Leonie!“ rief der Baron gerührt,
die Stirn der schönen Frau küssend. „Halte
mich nicht für egoistisch, daß ich um einen
solchen Kampf Dir dieses Kleinod raube.
Einst, nicht jetzt, werde ich es fordern —
doch auch nur dann, wenn es der Preis unsres
Glückes wird. Auch nicht mit Worten, nein,
Dein Herz wird den Ausschlag geben.“
„Deine Worte sind mir dunkel ?“
„Sie werden Dir klarer werden, wenn
die rechte Stunde kommt. Auch weißt Du
pielleicht nicht, welch einen kostbaren Werth
diese Medaille für den Kenner hat. Es ist
eine griechische alte Münze von der Stadt
Pessalonia in Maeedonien; sie wurde geprägt
zu Ehren der damaligen Kaiserin Sabina
Tranquillina, die die Tochter eines armen
Hirten war und durch‘ ihre Tugend und