Full text: St. Ingberter Anzeiger

AUnterhaltungsblatt 
um 
St. Ingberter Anzeiger. 
—BR Sonntag, den 17. Seprember 
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Ein böses Gewissen.* 
Novelle 
von Ewald August König. 
halter gelinge, sich ein gesichertes Einkommen 
zu verschaffen, welches zur Bestreitung ihrer 
geringen Bedürfnisse ausreiche. 
Ernst fand gegen diesen Entschluß nichts 
einzuwenden, mußte er auch im Stilien ihn 
adeln, weil er überhaupt die Heirauth alter 
deuten für eine Thorheit ansah, so mochte er 
doch der Mutter nicht wehe thun, welche er 
durch diesen Schritt ihre Zukunft vielleicht 
äicher zu stellen glaubte. Ihm hatte schon 
längst das Verhältniß des Buchhalters zu 
dem Rentner nicht gefallen, achtete er auch 
den Letzteren als den Vater Mathildens, so 
annte er doch auch eben so gut wie jeder 
einer Mitbürger die Gerüchte, welche über 
den reichen Filz umliefen. Er wußte, daß 
strämer den alten Mann zu Geschäften ver— 
wandte, zu deren Ausführung sich sonst nur 
moralisch gesunkene Menschen oder Schurken 
hergeben. 
Der Weg führte den jungen Mann an 
dem Hause des Rentners vorbei. Als er in 
die Straße trat, an welcher dieses Hanus lag, 
warf er unwillkührlich einen Blick auf das 
oberste Stockwerk. Dort in dem Zimmer, 
dessen Fenster durch das Nachtlicht matt er⸗ 
heuchtet war, schlummerte jetzt Mathilde, viel⸗ 
leicht dachte auch sie im Traume des Jugend⸗ 
gespielen, für den ja auch heute noch ihr 
derz eine innige Freundschaft bewährte. Ernst 
blieb stehen. Der' Gedanke an die schlummernde 
Geliebte weckte in seinem Herzen süße Träume 
von denen er sich nicht trennen mochte. 
Da plötzlich glaubte er an bem Giebel 
des hohen schönen Hauses ein Flämmchen 
züngeln zu sehen, jetzt auch hier — dort — 
Fortsetzung.) 
6. Kapitel. 
Es schlug bereits Mitternacht, als Ernst 
seinen Freund den Advokaten verließ, um 
den Heimweg anzutreiten. Seine Gedanken 
weilten bei Mathilde, deren Bild unablässig 
vor seiner Seele stand. Waren auch seine 
Hoffnungen in Bezug auf den Forischritt 
seines Geschäfts bis heute noch nicht in Er⸗ 
fülluug gegangen, blieb die Wirklichkeit auch 
noch sehr hinter seinen Wünschen und Er— 
wartungen zurück, er zweifelte doch nicht, daß 
er das Ziel erreichen werde. nach welchem 
er strebte. 
Helldau war unablässig für ihn bemüht, 
seinem Beistande verdankte der junge Mann 
manchen Gewiun. Ging das Geschäft so seinen 
ruhigen, stillen Gang fort, so konnte er da— 
rauf rechnen, daß es innerhalb zehn Jahren 
auf dem Standpunkte stand, auf welchem es 
stehen mußte, wenn er mit Aussicht auf 
Erfolg um die Hand Mathildens anhbal⸗ 
ten wollte. 
Zehn Jahre! Wie Manches lkonnte in 
dieser Zeit sich ändern! Und doch durfte er 
laum daran denken, früher an das Ziel 
seiner Wünsche zu gelangen. Die Mutter 
hatte ihm vertraut, Helldau habe um ihre 
Hand geworben und sie werde vielleicht auf 
diesen Antrag eingehen, wenn es dem Buch⸗