Full text: St. Ingberter Anzeiger

Thür gerichtet. Nach eintgen Minuten wurde 
diese geöffnet und Mathilde krat ein. 
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den Vagabunden erblickte. 
Schmetzer stand auf und verbeugte sich. 
„Der Herr Vater hat mir befo len, das gnä⸗ 
dige Fräulein in die neue Wohnung zu füh— 
ren,“ sagte er in so sanftem, geschmeidigen 
Tone, ‚als seine rauhe heisere, Stimme ihm 
zuließ, „es gereicht mir zum Vergnügen, die⸗ 
sem Befehle nachzukommen“ 
Mathilde war überrascht und befremdet; 
sie konnte sich nicht erklären, weshalb der 
Vater einem jolchen Menschen diesen Auftrag 
gegeben hatte. 
„Warum sendet er nicht einen unserer 
Diener ?“ fragte fie. „Helldau konnte dies 
la beforgen.“ 
„Ich kann mir denken, mein Exterieur 
gefällt Ihnen nicht,“ erwiderte Schmelzer, 
„ich bin es aber gewohnt, daß man mich 
gleichsam als einen Vagabunden behandelt, 
weil meine Kleidung nicht nach dem neuesten 
Schnitt angefertigt ist, und werde deshalb 
einige Schritte vor oder hinter Ihnen gehen, 
je nachdem Sie es wünschen. Die Hauptsache 
bleibt doch immer die, daß ich Sie in die 
neue Wohnung führe, Ihr Herr Vater würde 
selbst gekommen sein, wäre er nicht mit der 
Einrichtung zu sehr beschäftigt. 
„Schon gut, holt einen Wagen,“ ent⸗ 
gegnete Mathilde, „ich werde inzwischen 
frühstücken.“ 
„Einen Wagen 7“ versetzte Schmelzer 
erstaunt, „davon steht nichts in meinem Auf⸗ 
frage.“ 
Aber ich befehle es Euch!“ 
„So werde ich gehorchen.“ 
(Fortsetzung folgt.) 
Dder Müäünzsammler. 
Staatsbztg.) 
Eine Novelle. J 
Schluß.) 
Willrich sah Leonie an und ging einige⸗ 
—XLL 
schweigend im Zimmer auf und nieder. Er 
erkannte, daß er auf diesem Wege nicht zum 
Ziele komme, uund lenkte ein. Leonie, Du 
zist ein eigensinniges Kind, aber sei einmal 
dernünftig, denke, daß ich lein Jüngling bin, 
m Jahren kbönntest Du doch meine Tochter 
sein. Es ist wahr, ich habe spät erst erkannt, 
daß ich stolz auf meine schöne Frau sein 
lann. Und da ich einsehe, Du willst durchaus 
die Medaille trauen, so thue mir wenigstens 
den Gefallen, nur auf eine Minute dieses 
Collier anzulegen; ich habe es doch einmal 
zekauft, — willst Du mir denn ganz die 
Freude verderben ? 
Diesen Wunsch glaubte Leonie ihm nicht 
versagen zu können; arglos nahm sie die 
Medaille und wollte sie auf den Tisch legen 
doch in demselben Augenblick war Willrich 
einer auch nicht mehr mächtig, er griff da⸗ 
zach; noch aber hatte Leonie sie in ihrer 
Hand. Angst und Schreck verdoppelten ihre 
Zraft, fie riß sich von ihm los und floh nach 
hrem Zimmer. Und da kam es über sie, 
wie eine Offenbarung; jetzt erft verstand sie 
die Abschiedsnorte, jene geheimnißvolle Deutung 
des geliebten Freundes. 
„O mein Gott!“ rief sie aus geängsteter 
Seele, „wenn Alexander sich dennoch täuscht. 
Wenn Willrich mich jetzt liebt; dann wird 
dieses Kleinod auch nicht meine Freiheit er⸗ 
laufen. Zürne nicht, geliebte Murter, wenn 
ich Dein Gebot übertrete und Dein A denken 
unserm Glücke opfere — ja unser Glück, denn 
es gilt ja das des geliebten Freundes!“ 
Diese Nacht verging Leonien unter Angst 
und Erwartung, aber nichts störte sie. Als 
sie am andern Morgen Willrich beim Früh⸗ 
ttück sah, that er, als wäre nichts zwischen 
ihnen vorgefallen. Er versuchte seine angenom⸗ 
mene Rolle weiter zu spielen; aber es gelang 
ihm nicht, sein Auge blickte sie wild an, er 
prach, brach dann plötzlich ab, und so ging 
s sort! er schien wie im Fieber, sein ganzes 
Thun und Trachten war jetzt auf die Medaille 
gerichtet. Der Baron ließ nicht nach, das 
Feuer zu schüren, immer dringender wurden 
jeine Briefe, immer höher setzte er den Preis, 
und Willrich schwelgte im Geist bei allen diesen 
versprochenen Schätzen. Und die sollte er um 
den Eigensinn eine: Frau willen verlieren? 
Nimmermehr! Jetzt mußte er die Medaille 
haben, und dazu gab es für ihn kein an⸗ 
deres Mittel mehr als Gewalt.