So schlich er eines Nachts nach Leoniens
Zimmer, er glaubte sie schlafend und das
jollte ihm sein Vorhaben erleichtern. Aber
Leonie schlief nicht; die ganze Zeit über hatte
sie Willrich's Thun beobachtet, und an seinem
unstäten, wilden Blick gelesen, daß sie eiue
solche Stunde zu erwarien habe. —W
Als er sie daher bei seinem Eintritt, aus
dem Sopha sitzend fand, erschrac er.
„Du schläfst noch nicht ?“
„Nein,“ erwiderte sie, denn ich wußte,
daß Du in feindlichex Absicht noch zu mit
dommen würdest.“
Feindlich ?“ sagte er mechanisch.
So nur kann ich's nennen,““ fuhr sie
jort, „denn Du stehst hiet, um mir meiner
theuren Mutter Andenlen mit Gewalt zu
entreißen ??
„Sieh, und ich will Dich vor einer so
unwürdigen Handlung schützen, ich habe mich
bon diesem Kleinod getrennt und es an einen
sicheren Ort verborgen.“
„Das hast Du gewagt!“ rieß er drohend.
„Wo, wo hast Du die Medaille?“
„Ich sage Dir,“ entgegnete sie kalt, „daß
sie an einem sicheren Orte ist.“ z
„Er staud und starrte sie schweigend an,
dann stürzte er vor ihr auf die Knie und
schrie: „Leonie, gieb mir die Medaille, for⸗
dere Alles dafür!“
..ZJetzt schien für Leonie die Stunde ge⸗
kommen, wo ihr Herz kür ihre Liebe den
Ausschlag geben mußte; sie rief sich das Bild
des Geliebten vor die Seele und stand,
Willrich's Hünde von sich abwehrend, auf.
So wäre Dire kein Preis zu hoch?“
fragte sie, ihn forschend anblicend.
Keiner, Leonie!. Aber vede, nenn' ihn
und quäle mich nicht länger “
Wohlan, gib mir meine Freiheit wie⸗
der, willige in eine Trennung und die We⸗
daille ist Dein!“
Willrich sprang vom Boden auf, es schien
Leonie, als sei er blaß geworden, fie zitterte,
detzt glaubte sie alles verloren.
„Ist das Dein Ernst?“ fragte er nach
einer Pause.
„Ja, Willrich, bei dem Andenken meiner
cheuern Eltern, es ist mein Ernst ···
.Unvernünftiget Kind, wenn ich nachgebe
und wir gesetzlich g schieden werden, wie
vollteft Du leben ? Das kleine Erbtheil Dei⸗
ner Eltern reicht für Deine Existenz nicht aus?
O, wenn Du nur daran denkst, so
gieb mir nur meine Freiheit; ich wer de ent⸗
behren — und glücklich sein.“ 9
„Also ich bin Dir nichts?!!
Sie schwieg. 5
„Du hast mich nie geliebt??:
„Nein, Willrich,“ sagte sie ruhig, da er
eine Antwort auf diese Frage zu erwar⸗
ten schien. **
Jetzt dämmerte in ihm doch die Ahnung
auf, daß er vielleicht schuld daran sei, daß
sie ihn so leicht aufgeben wolle, daß fie an
seiner Seite nur zwangvoll gelebt habe. Eine
lange Pause trat ein, in der Leonie die un⸗
beschreiblichen Gefühle eines Menschen litt,
der sein Urtheil über Leben und Tod er⸗
wartet. Wie ganz anders war es beim Arztes⸗
ausspruch gewesen. Willrich schien alle Mün«
zen und die Medaille vergessen zu haben, als
er Leonie unverwandt betrachtete und zum
ersten Male die Macht ihrer Schönheit empfand.
„Leonie,“ sagte er dann sanft, „Zwang
soll Dich nicht serner an mich fesseln; doch
ein solcher Schritt ist fürs Leben und ver⸗
langt reistiche Ueberlegung; ich gebe Dir noch
einen ganzen Tag Zeit, denke nach.“ Ohne
ihre Antwort abzuwarten, ging er nach seinem
Zimmer. Leonie hoͤrte ihn noch lange auf⸗
und niedergehen, bia fie endlich, überwältigt
von Müdigkeit, einschlummerte. Willrichs La⸗
ger blieb unberührt. Zum ersten Male in
seinem Eheftand dachte erx ernstlich an Leonie.
Nicht daß er sie plötzlich liebte, — dazu war
jeine Natur nicht geschaffen; aher er war ein
Mann, und Leonie war schön, war durch das
Gesetz sein legitimes Weib. ⸗
Doch als der Morgen graute, hatie der
Münzsammler wieder halb und halb die Lei⸗
denschaft des Mannes für sein schönes Weib
verdrängt. Und schon suchte er für diese Ge⸗
fühle Entschuldigung aus Leonien's Worten.
Sie liebt Dich nicht, hat Dich nie geliebt.
— Sollst Du sie mit Gewalt fesseln ? Nein,
sie sei srei. Das war das Endresultat seines
Nachdenkens. J
Am Abend ging er zu Leonie. Hast Du
Deinen Entjschluß noch einmal überlegt ?*