Advolaten rathsam, den Rentner durch einen
Spion beobachten zu lassen, und er wollte
gleich, nach seiner Unterredung mit der Wittwe
sich nach einem Individuum umsehen, welches
sich hierzu eignete.
Frau Heller war keineswegs überrascht,
als Schacht ihr das Geheimniß miltheilte,
welches ihren Pflegesohn umschwebte. Für sie
war dies längst kein Geheimniß mehr gewesen,
ein ige Andeutungen aus dem Munde des
Ackerers hatten sie schon vor Jahren zu dem
Schlusse geführt, daß Ernst der Sohn Karl
strämers sein müsse. Sie hörte die Mitthei⸗
lungen des Advokaten schweigend an und ver⸗
Pprach, die strengste Verschwiegenheit zu beob⸗
achten. Sie selbst theilte den Verdacht des
Ackerers nicht; wenn auch Krämer ein hab⸗
süchtiger Filz sei, meinte sie, so glaube sie
doch nicht, daß er ein solches Verbrechen be⸗
gehen könne, um so weniger, als es sich ja
um eine verhältnißmäßige kleine Summe
handle und der Rentner ein sehr reicher
Mann sei.
Der Advokat schüttelte den Kopf und be—
harrte bei seiner Ansicht. Er bedauerte nur.
daß der Mann, dessen er sich sicher in solchen
Fällen bedient habe, gestorben sei, jener würde
sich als Spion an die Ferse Krämer's ge⸗
heftet und Licht in die Sache gebracht haben.
Er schärfte nach diesen Worten der Wittwe
nochmals Verschwiegenheit ein und verließ dann
das Haus, um in seinem Bureau über die
Schritie, die er in dieser Angelegenheit thun
mußte, reiflich nachzudenken.
Als der Advrkat sich entfernt hatte, stieg
die Wittwe eine Treippe höher und trai in
ein kleines, traulich eingerichtetes Gemach, in
welchem Helldau vor seinem Bücherschrank
saß, emsfig mit dem Anstaunen und Ordnen
seiner Schätze beschäftigt.
„Denken Sie sich meine Freude,“ hob
der Buchhalter an, als die Wittwe eintrat;
ich gehe gestern bei einem Trödler vorbei und
sehe dort mehrere Bücher auf dem Tische lie⸗
gen. Sie kennen meine Passion und können
denken, mit welcher Hast ich eintrat, als ich
hemerkte, daß diese Bücher sämmtlich in
Schweinsleder gebunden waren. Und was
glauben Sie, das ich dort entdeckt habe 5“
Nuu? Was wird's gewesen sein ?“ fragte
Frau Heller lächelnd.
Was es gewesen ist?“ fuhr der Buch⸗
halter fort, indem er einen Augenblick den
Staubbesen ruhen ließ, um der Fragenden
mit leuchtendem Auge in's Antlitz zu schauen.
„Erstens eine Geschichte aller adeligen Ge⸗
chlechter unsers Landes, nebst dem Abdruck
hrer Wappen und zwar aus dem vorigen
Jahrhundert; ich sage Ihnen, der Fund ist
unbezahldar. Ferner eine Bibel, übersetzt von
Martin Luther, ein Exemplar des ältesten
Drucks, und Dritiens, — — nun rathen
Sie einmal“
„Sie verlangen Unmögliches von mir,
wie kann ich den Titel eines Buches er—
rathen.“
„Ganz recht, Sie können es nicht, selbst
wenn ich Ihnen den Titel nenne, werden
Sie mir kaum glauben. Es ist eine Ausgabe
des Don Carlos, von Schiller's eigener Hand
abgeändert und verbessert.“ Er öffnete das
Buch und hielt es der Wittwe hin.
„Sind Sie überzeugt, daß die Randbe—
merkungen von Schiller's Hand niedergeschrie—⸗
ben sind?“ fragte Frau Heller, nachdem sie
einen Blick in das Buch geworfen hatte.
„Mir scheinen jene Bemerkungen dem Hirn
eines Gymnasiasten entsprungen zu sein, Geist
verrathen Sie nicht.“
„Glauben Sie denn, jedes Wort, aus
der Feder dieses Mannes geflossen, müsse
geistreich sein ?? zürnte Helldau. „Mir hat
der Trödler die feste Versicherung gegeben,
daß dieses Buch aus der Bibliothek des gro—
zen Dichters stamme und“ —
„Dieser Beweis muß genügen,“ siel die
Wittwe ihm ins Wort. „Doch lassen. wir
dieses Thema jetzt ruhen. Haben Sie dem Rent⸗
ner bereits aufgelündigt ??
Der Buchhalter konnte einen tiefen Seufzer
aicht unterdrücken. „Ach Gott, nein,“ erwi—
derte er. „Sie wissen ja selbst, wie schwer es
nir fällt, einen andern Posten zu finden, und
bevor ich einen solchen nicht habe, mag ich
aicht aus meiner jetzigen Stellung scheiden,
weil es mir widerstrebt, müßig zu gehen.“
„Und doch hatten Sie damals so gute
Anssichten!“
„Allerdings, sehr gute sogar, aber des