Unterhaltungsblatt
X
St. Ingberter Anzeiger.
vr. 116. Sonntag, den 1. Oetober
7.
Ein böses Gewissen.“
ein noch ziemlich junger, schmächtiger Mann
emsig arbeitete.
Eure Papiere find fertig, Ihr könnt sie
nachher holen,“ rief der Beamte dem Ein—
retenden entgegen, während er sich demselben
näherte „sie liegen dem Bürgermeister zur
Anterschrift vor, Ihr müßt Euch so langçe
Jedulden. — Geht in den goldenen Schwan
ind erwartet mich,“ fuhr er leise fort, iandem
r seine Lippe dem Ohr des Amerikaners
näherte, ich bin in längstens einer halben
Stunde bei Euch “ F
ESchmelzer ging, ohne ein Wort zu er⸗
vidern, wieder hinaus, und wartete in dem
zezeichneten Weinhause auf den Beamten, der,
eineni Worte getreu, noch vor Ablanf der
hdalben Stunde erschien.
Gehen wir in das Kabinet,“ flüsterle
der Beamte, indem er einen Blick über die
Bäste warf, „wir können dort unser Geschäft
ingestört abmachen.“
Habt Ihr die Papiere mitgebracht 70
ragie der Amerikaner. als die beiden hinter
der Flasche im Stübchen saßen, dessen Thür
sie hinter sich verriegelt hatten.
„Alles in bester Ordnung, unterschricben
ind mit dem Amissiegel versehen,“ erwiderte
der Beamte, „uur bitte ich Euch, geht vor⸗
ichtig damit um, Ihr wißt, daß meine Ehre,
mein Amt davon abhängen.“
„Narrenspossen! Glaubt Ihr, ich werde
Mißbrauch damit treiben ?7 versetzte Schmel⸗
ger. „Gebt her, ich habe Eile.“
Erst is Geid, daun die Papiere!“
Der Rilaner legte eine Rolle auf den
Tisch. „Hier sind zwanzig Louisd'ors, die
Novelle —
von Ewald August König ˖
GFortsetzungh.
Schmelzer war, nachdem er seine Gefan⸗
gene verlassen hatte, in die Stadt zurückge—
lehrt. Die Landstraße vermeidend, weil er
befürchtete, der Rentner khnne durch irgend
einen Zufall die Entführung seiner Tochter
Aeich nach seiner Rückkehr in den Gasthof
entdecken, und dem Entführer nachsetzen, schlug
er einen Fußpfad ein, der auf einem ziemlich
heträchtlichen Umwege durch das entgegenge—
setzte Thor in die Stadt führte.
In der Stadt angelangt, eilte er unver⸗
züglich in das Viertel, welches ausschließlich
bon der ärmeren Bevölkerung bewohnt war.
hier, in einer engen Gasse, trat er in das
nstere Gewölbe eines Trödlers, wo er den
siemlich abgetragenen Anzug eines Spieß⸗
hürgers kaufte, den er sosort in dem Ge—
wölbe gegen seine bisherigen Kleider um⸗
tauschte.
Der Anzug bestand nur aus Rock, Hose
und Mütze; um die unsaubere Weste und
den nichts weniger als frisch gewaschenen
hemdkragen zu verbergen, knöpfte der Vaga-
zund den Rock bis unter das Kinn zu, rückte
dann die Mütze tief in's Gesicht und schlug,
in seiuem Aeußeren einem unverschuldet in
Armuth und Elend gerathenen Familienvater
nicht unähnlich, den Weg zum Rathhause ein.
Hier trat er in das Paßbureau, in welchem