Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungablatt 
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AM 
St. Ingberter Anzeiger. 
1. 
Nr. Iæ2ö»cu. Dienstag, den 10. Detober 
Ein böses Gewissen.* 
kannte aber auch die Gesinnung und den 
Tharakter des Mädchens und wußte, daß sie 
eben so treu und fest an ihrer Liebe, halten 
verde, wie er. Helldau mußte vermitteln, ihm 
vollte er sich anvertrauen, der alte Mann 
nußte ihm eine Zusammenkunft mit Mathilde 
rmöglichen. — Im Begriff, den Weg zu 
einer Wohnung einzuschlagen, sah er plötzlich 
den Dottor Schacht vor sich stehen und er 
'onnte nicht unterlassen, diesem seine Unter— 
redung mit dem Rentner mitzutheilen. 
Der Advokat hörte ihn lächelnd an. „Sei 
zuten Muthes, sagte er, als Ernst schwieg, 
wielleicht wendet sich heute noch alles zu 
Deinem Besten. Ich bin eben im Begriff, zu 
drämer zu gehen, von diesem Besuch hängt 
Vieles ab, versprich mir deßhalb, bis zu 
neiner Rückkehr keine Schritte in dieser Ange⸗ 
legenheit zu thun.“ a 
Ernst bat den Freund, ihn in seinen Plan 
einzuweihen. 
„Noch nicht,“ erwiderte der Advokat. 
vielleicht später, vielleicht auch nie, nimm 
DurDdas Gute, was ich Dir vielleicht bieten 
verde, ruhig an und forsche nicht nach Mit— 
teln, durch welche ich es für Dich erhielt. 
In Deiner Wohnung mochst Du mich er 
varten,“ setzte er hinzu, indem er dem 
Freunde die Hand bot, H jetzt verlasse mich, 
h habe File⸗ — 
Der Rentner sah unwillig von seiner Ar— 
Heit quf, als der Advokat eintrat. Aergerlich 
iber diese zweite Störung fragte Rer barsch 
jach dem Begehr des Fremden, der ruhig die 
Thür abschloß und sich dann in einen Sessel 
niederlicß. *3 
Novelle 
von Ewald August König. 
(Fortsetzungh. 
Herr, Ihre Grobheit geht zu weit!“ fuhr 
Ernst auf, dem jetzt die Galle in's Blut 
stieg. „Ich lasse mir Manches von Ihnen 
sagen, weil Sie der- Vater derjenigen sind, 
die ich mehr als mich selbst liebe, aber“ — 
„Aber?“ fiel der Rentner ihm in's Wort. 
„Wir wollen uns die Unannehmlichkeit späterer 
Auftritte dieser Art ersparen, deßhalb ersuche 
ich Sie, mir das Ihnen geliehene Kapital 
binnen heute und acht Tagen zur Verfügung 
zu stellen und meine Schwelle nicht mehr zu 
betreten. Daß Sie meine Tochter aus den 
Flammen gerettet haben, verpflichtet mich 
Ihnen zu Dank; um mich j der Verbindlich⸗ 
keit gegen Sie zu entledigen, verzichte ich auf 
die Zinsen und den Gewinn, welchen Sie 
bis heute aus meinem Kapital gezogen 
huben.“ 
Ein höhnisches verächtliches Läche n⸗ 
spielte die Lippen des jungen Mannen „So 
erbärmlich und schmutzig ist Ihre Denkweise!“ 
entgegnete er bitier; „ich verlange von Ihnen 
weder Dankbarkeit noch ein Geschenk, behalten 
Sie beides!“ Er wandte dem alten Maänne 
stolz den Rücken und verließ das Zimmer 
„Was nun ?“ das war seine erste Frage, 
als er vor der Thür stand. Er z zeifelte nicht 
daran, daß Mathilde von dem habsüchtigen 
Filz denselben Bescheid erhalten hatte, er