„Wir sind doch allein 7“ fragte der Jurist,
indem er auf die Thüt zum Nebenzimmer
jeigte; „was ich Ihnen mitzutheilen habe,
betrifft nur uns beide, oder besser gesagt, Sie
allein. Mein Name ist Doktor S hacht, Ad⸗
ootat beim hiesigen Gerichtshofe.“
„Ich wüßie nicht, daß ich mit Ihnen
etwas zu verhaundeln hätte,“ erwiderte Krämer
mürrisch, „ich führe keine Prozesse.“
„Sie könnten aber in einen Prozek und
noch dazu in einen striminalprozeß verwickelt
werden,“ versetzte der Advokat. „Ich komme
gerades Weges aus dem Gefängniß und
führte soeben eine längere Unterredung mit dem
Amerikaner Schmelzer.“
Der Rentner fuhr von seinem Stuhle
auf. „Entfchuldigen Sie einen Augenblick,“
hob er an, „in jener Stube befindet sich
meine Tochter, wäre es nichl besser, wenn ich
ie hinausschickte ?
Der Abdvokat nickte und trat ans Fenster.
Mathilde kannte ihn, sie wußte, daß er der
Freund des Geliebten war, er wollte ihr sein
Besicht verberuen,um nicht in ihrem Herzen
Hoffnungen zu wecken, deren Erfüllung noch
sehr in Frage stand.
Kraͤmer öffnete die Thür und warf einen
Blick in das Nebenzimmer, es war leer, Ma⸗
thilde hatte es verlassen. Beruhigt verschloß
der Rentner die Thür, und bat den Advokaten,
fortznfahrer.
„Ich ging mit dem Vorsatz, mich jenem
Verbrecher als Vertheidiger anzubieten, in
das Gefängniß. Schmelzer legte mit ein of⸗
fenes Vekenntniß ab.“
Erdfahle Blässe überzog das Aniliß des
alten Mannes, seine Knie bebten, sein stierer
Blick war unverwandt qauf den Advokaten
gerichtet.
„Ich erfuhr, daß sein erstes Verbrechen
ein Einbruch bei Ihrem Bruder in Amerika
gewesen ist, der Zweck dieses Einbruchs geht
deutlich aus einem Briefe hervor, welchen Sie
an jenen Mengschen geschrieben haben.“
„Ich?“ stotterte der Rentner. „Ein Brief
pon mir? Glauben Sie ihm aicht, er hat
meine Handschrift gefälscht.“
Wenn dem wirklich so wäre,“ muß er
doch Ihre Handschrift gekannt haben. Die
Adresse trägt den Poststenpel unserer Stadt
und da außer diesem Bricfe noch zwei andere
Schreiben vorliegen, so dürfte es wohl nicht
schwen fallen, die Echtheit der Handschrift zu
lonstatiren.“
Kommen wir zur Sache,“ versetzte
—
—
zebe zu, diese Briefe geschrieben zu haben, was
beweisen Sie gegen mich ?“
„Dieser hier die Aufforderung zum Dieb⸗
dahl, jener aber, den der Verbrecher in Havre
von Ihnen empfing, legt Ihre Mitschuld
an der Ermordung Ihres Bruders an
den Tag.“
„Ich sehe der Anklage ruhig entgegen,“
erwiderle der Rentner nach einer Pause, in
der er mühsam nach Faffung gerungen hatte,
glauben Sie wirklich, nur etwas beweisen zu
können, so“ —
„Sie wären bereits verhaftet, wenn nicht
die Freundschaft zu Ernst Heller mich bewo—⸗
gen hätte, vorher diesen Weg zu verfuchen,“
uhr der Advokat ernst, mit erhöhter Stimme
jort, „es kostet mich nur einen Gang zum
Instrakt:onsrichtert, und Sie sitzen in der
nächsten Stunde hinter Schloß und Riegel,
uim dort den Rest Ihres Lebens zu ver⸗
bringen.“ —
„Ich versprach jenem Vagabunden hundert
Louisd'ors, wenn er mir das Dokument
chaffte, wilches mein Bruder damals in Be—
uug auf sein Vermögen anfertigen ließ,“ fiel
drämer dem Juristen in's Wort; „für die
Mittel, welche jener Mensch anwandte, um
seinen Zwed zu errcichen, kann man mich
nicht verantwortlich machen.“
»Sie reden, wie die Angst des bösen
Gewissens es schon eingiebt, das Gesehtz spricht
anders.“
„Man kann jedem Dinge eine andere
Bedeutung unterschieben,“ erwiderte Krämer
achselzuckend, „es kommt eben nur darauf an,
wie man's dreht und wendet. — Sie sagten
vorhin, es bedürfe nur einer Anzeige, so wuͤrde
ich verhaftet. Sie machten diese Anzeige nicht,
daraus glaube ich schließen zu dürfen, daß
ich Ihr Schweigen erkaufen soll. So ruhig
ich auch einer Anklage entgegensehe, will ich
mich doch zu diesem Opfer entschli ßen, weil
— weil“ —